Eindrucksvoller und berührender als jede historische Abhandlung es könnte, erzählt dieser Roman, was politische Unterdrückung in einzelnen Menschen anrichtet. Die Italienerin Ermina Dell’Oro schildert die Geschichte zweier afrikanischer Frauen - Mutter und Tochter - zur Zeit als Eritrea italienische Kolonie war. Die Autorin wurde selbst 1938 in Asmara - in der Sprache der einheimischen „Blühender Wald“ - geboren und wuchs wohlbehütet und abgeschirmt in der damals italienischen Kolonie auf. Beziehungen zur einheimischen Bevölkerung gab es kaum und wenn, dann nur im Bewußtsein, zur Klasse derKolonialherrn zu gehören. „Wir Kinder spielten nicht mit eritreischen Kindern, niemand lehrte uns ihre Sprache oder weckte irgendein Interesse an ihren Bräuchen und Gepflogenheiten“, schreibt sie im Nachwort zu ihrem Roman. Mit 22 Jahren verläßt Ermina Dell’Oro Afrika in Richtung Italien, der ursprünglichen Heimat ihrer Eltern, und lebt heute als Schriftstellerin in Mailand.Hier trifft sie 1993 Marianna, Tochter einer eritreischen Mutter und eines Italieners, ungefähr in ihrem Alter, aber aus einer anderen Gesellschaftsschicht. Durch Marianna erfährt sie die andere Wirklichkeit, die sie in diesem Buch beschreibt. Nach dem Ende des italienischen Großmachttraums lebten in Eritrea etwa 5000 Italo-eritreische Kinder, die von ihren Vätern verlassen worden waren, was so etwas wie den Sturz in den Abgrund zwischen den Kulturen bedeutete. Als Mischlinge wurden sie von beiden Seiten geächtet. Marianna ist eine von ihnen.