Die wirtschaftlichen Probleme des oberen Mühlviertels sind groß genug. Groß ist hier allerdings auch die Bereitschaft zur Solidarität. Rohrbach ist Pionierstadt für eine gerechtere Welt.„Es woa a weng a zache Zeit“, erinnert sich Leopold Liebletsberger an den Anfang. Vor 26 Jahren haben zwölf Leute die Selbstbesteuerungsgruppe Rohrbach ins Leben gerufen. Der harte Kern der Gruppe unter dem Namen „Eine Welt für alle“ trifft sich seither monatlich. Im vergangenen Jahr hat die Pioniergruppe den Solidaritätspreis der Kirchenzeitung erhalten. Rohrbach hat viele Entwicklungshelfer hervorgebracht. Die Selbstbesteuerungsgruppe unterstützt ihre Leute vor Ort. 412.000 Schilling hat allein im vergangenen Jahr die auf 153 unterstützende Mitglieder angewachsene Gruppe aufgebracht. Von 50 Schilling bis zu einem monatlichen Tausender steuern sie bei. 3,5 Millionen sind im Lauf der 26 Jahre zusammengekommen. In Indien hat Ingrid Pichler die tiefste Stufe der Armut gesehen - Menschen, die nackt ohne alles in den Straßen lagen. Jetzt gehört sie zum Aktivkern der Selbstbesteuerungsgruppe. Maria Mittermaier war ein Jahr im Auslandseinsatz und hat dabei erfahren, mit wie wenig Menschen auskommen müssen. Auch sie gehört jetzt zur Kerngruppe.Weltweit mehr Gerechtigkeit zu erreichen und dafür auch etwas zu tun, das ist auch das Ziel der Rohrbacher Missionsrunde. Johanna Möstl organisiert die Arbeit der Runde. 80 Tonnen, verpackt in Paketen zu ursprünglich 10 Kilo, heute zu 20 Kilo, hat die Missionsrunde seit 1984 vor allem nach Zimbabwe und in andere afrikanische Länder geschickt. Das Porto für ein 20-Kilo-Paket kostet heute 680,– Schilling! Jeden ersten Montag im Monat ist Sammeltag. Viele Hände sind tätig, bis alles sortiert, repariert, verpackt und zur Post gebracht ist. Die Frauen der Mütterrunde helfen mit, bei der monatlichen Fauenmesse wird für das teure Porto gesammelt. „Irgendwie ist es sich immer ausgegangen, es war genausoviel Geld da, wie notwendig“, erzählt Johanna Möstl. Hervorzuheben gäbe es viel, etwa jene Frau aus Öpping, die Decken strickt und Ausbesserungsarbeiten durchführt. Neben dem Engagement für Entwicklungsländer haben Rohrbacher auch sehr viel für „ihre“ Flüchtlinge getan aus dem Bosnienkrieg. Einige haben hier eine neue Heimat gefunden.SteckbriefZur Pfarre Rohrbach gehört neben der Bezirksstadt selbst auch die Gemeinde Berg mit dem Benefiziat Berg. Anstelle einer früheren Burg wurde nach dem Ende der „Schwedengefahr“ hier eine Wallfahrtskirche am Berg errichtet, die wie die Pfarre Rohrbach selbst vom Stift Schlägl betreut wird. Herr Benedikt Pendlmayr ist heute Seelsorger an der Wallfahrtskirche. An die hundert Wallfahrten finden im Jahr hierher statt. Ein großes Erlebnis bedeuten für den Seelsorger die Fußwallfahrten. „Wenn Leute zwei, drei Tage zu Fuß unterwegs gewesen sind, schweißt das zusammen.“ Ebenso gehört zur Pfarre das Benefiziat Götzendorf mit etwa 500 Einwohnern. Dominik Höglinger ist hier Seelsorger. Er ist auch Betriebsseelsorger für das Obere Mühlviertel. Ein „Sprengelrat“ weiß sich um das Kirchenleben von Götzendorf verantwortlich. Götzendorf ist übrigens älter als das Stift Schlägl. Das „Pfarrzentrum“ Schloß Götzendorf gehört der Gemeinde Öpping. Es ist auch als kleines Bildungshaus oder als Treffpunkt für Pfarrgemeinderatsklausuren geeignet.Rohrbach ist Verwaltungs-, Schul- und Wirtschaftszentrum des Oberen Mühlviertels. Der Alltag ist das BesondereDas Alltägliche gut zu gestalten, übernommene Aufgaben engagiert zu betreiben, das macht die Qualität der Pfarre Rohrach aus. „Rohrbach ist meine Heimat“, meint Pfarrer Albert Dorninger. Seit 1963 ist der Prämonstratenser vom Stift Schlägl hier , seit 1967 als Pfarrer. Seit Beginn der Siebzigerjahre werden in Rohrbach – zusätzlich zur Beichte – Bußfeiern angeboten. Frauen, Männer und Jugendliche werden zu drei Terminen eingeladen, die Kirche ist dabei voll. Besonderen Wert legt Pfarrer Dorninger auf eine gute Vorbereitung der liturgischen Feiern. Dazu gehört etwa die monatliche Familienmesse, um die sich ein Vorbereitungsteam verantwortlich weiß. Zwei Pfarrkindergärten in Rohrbach und in Berg erlauben einen guten Draht zu Kindern. Einmal monatlich gestaltet die Männerbewegung mit ihrem Singkreis eine Sonntagsmesse. Beliebt ist die monatlich besonders gestaltete Frauen-Wochentagsmesse. Die Wochentagsmessen werden sowohl in der Pfarrkirche als auch in der Wallfahrtskirche am Berg gut besucht.Zur Zeit bereitet sich die Pfarre auf eine Pfarrmission vor. Regelmäßig bietet Pfarrer Dorninger Reisen an, die letzte führte zu Semester nach Ägypten, schon oft ging es ins Heilige Land. Rund 600 Rohrbacher haben dieses Angebot für Bildung und Gemeinschaft bis jetzt erleben zu können, schon genutzt.Jugend braucht RaumKaplan Mag. Gerhard Kobler weiß sich unter anderem um die Jugendarbeit verantwortlich. In die Schulstadt Rohrbach mit Gymnasium und vielen anderen Schulen kommen viele Jugendlich herein. Ein „Hunger nach Spiritualität“ wäre auch bei Jugendlichen da, meint er. 35 haben zuletzt bei Exerzitien im Alltag teilgenommen. Das Problem heute: Jugendliche haben das Gespür für Verbindlichkeit nicht mehr. Und in Rohrbach bleibt Jugendlichen von auswärts nur die Straße oder das Kaffeehaus. Eine bessere Begegnungsmöglichkeit zu schaffen, steht auf der Wunschliste des Kaplans.Im Krankenhaus Rohrbach ist Berthold Schlägl Seelsorger. Jeden zweiten Tag jeden Patienten im Krankenhaus einmal zu sehen, bemüht er sich. Täglich ist im Krankenhaus ein Gottesdienst. Demnächst wird Dominik Höglinger von der Betriebsseelsorge in die Krankenhausseelsorge wechseln. Ein Ja, das weiterführt 23 neue Mitglieder seit 1998. Darüber freut sich KMB-Obmann Maximilian Haudum. Damit hat die KMB die Zahl von 150 Mitgliedern erreicht, halb soviele sind es wie bei der Frauenbewegung, die von Maria Eckerstorfer geleitet wird. Den Glauben mit dem Leben zu verknüpfen. Die Sorge des Vaters, dessen Tochter keinen Arbeitsplatz findet, auch zur Sorge der Kirche zu machen, ist ein Ziel Haudums. Sowohl in der KFB als auch bei der KMB wäre es beim letzten Leitungswechsel kritisch geworden, trotz guter Arbeit und vieler Mitglieder: Für die Leitungsaufgabe ist es nicht leicht, Bereitwillige zu finden. Haudum und Eckerstorfer haben ja gesagt – und so kann die Arbeit weitergehen.Glaube und ArbeitEin Fachausschuß „Glaube und Arbeit“ bringt in die Überlegungen der Pfarre Rohrbach die Erfahrung der Arbeitswelt ein, ebenso die Erfahrung von Wirtschaftsbetrieben in der Region. Der Ausbau der Pendlerstrecke nach Linz hat den Weg zur Arbeit für viele leichter gemacht. Für jene allerdings nur, die nach den Personalreduktionen bei den Großkonzernen dort noch Arbeit haben.Das Arbeitsproblem betrifft den ganzen Bezirk. Die früher hier blühende Textilbetriebe sind weitgehend verschwunden. Benedikt Pendlmayr war früher Pfarrer in Haslach und erinnert sich: Der Verband der Leinenweber hatte vor 30 Jahren noch 85 Mitglieder. Das bedeutete 85 Betriebe. Jetzt wurde er aufgelöst, weil es nur noch drei Betriebe gibt. Betriebsseelsorger Dominik Höglinger weiß um die besonders schwierige Arbeitssituation für Frauen. 10 Prozent beträgt die Arbeitslosenrate bei Frauen im Bezirk.Aus der Betriebsseelsorge ist der Verein ALOM hervorgegangen – Verein für Arbeit und Lernen Oberes Mühlviertel“. Die „Böhmerwaldwerkstätte“ ist nur einer ihrer Betriebe. Robert Bräuer und Maria Grünbacher sind für die Betriebsseelsorge im Oberen Mühlviertel verantwortlich. Leben und Lebensgefühl der Menschen hier sind stark im Wandel. Den „Mühlviertler alten Stils“ - bodenverhaftet und weltanschaulich unumstößlich – gibt es immer weniger. Wohnungen und neue Siedlungen entstehen, „Die Single-Siedlung“ nennen die Rohrbacher bezeichnenderweise etwa ein Neubaugebiet. Es ist anders geworden. Aber das heißt nicht, daß Gott nicht auch bei den heutigen Menschen gerne zu Hause wäre.