Henriette Stadler aus St. Marien beschreibt in ihrem Buch „Fruahliachd“ das Leben eines „ledigen“ Vorstadtkindes in der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Daraus die Stelle, wie es die Maiandachten erlebt.
Im Mai waren die Bildchen besonders beliebt. Für jeden Maiandachtsbesuch gab es eines, und ausgeteilt hat sie der Binder Hans. Das war der Mesner. Unachtsamerweise stand er bereits am Anfang von der Andacht bei der Kirchentür und drückte jedem Kirchengeher ein Bildchen in die Hand. Wenn man dann nach dem „Meerstern, ich dich grüße“, das immer am Anfang gesungen wurde, die Kirche wieder verließ, war man bereits im Besitz eines Bildchens. Besonders als Tauschobjekt konnte man sie gut verwenden. „Ich geb dir den Heiligen Franz und du gibst mir dafür zwei Schlagersänger“, hieß es. Die Schlagersänger, die man damals gegen den Heiligen Franz eintauschte, hatten sehr klangvolle Namen. Silvio Franzesco oder Rocco Granata oder Vico Torriani hießen sie zum Beispiel, und vielleicht waren sie deswegen so beliebt. Aber außer den Heiligenbildchen bekam man im Mai auch noch einen Stempel ins Betbuch, für jeden Maiandachtsbesuch einen. Diese Stempel waren ebenfalls sehr begehrt. Weil, nur wer besonders viele Stempel im Mai gesammelt hatte, bekam vom Pfarrer ein Geschenk. Dieses Geschenk gab es dann im Juni und war eine Überraschung. Das heißt, man wußte vorher nicht, ob man eine verzierte Wachskerze zur Belohnung erhielt oder einen Sparefroh vom Weltspartag.
Erhältlich im Eigenverlag bei Henriette Stadler, 4502 St. Marien, Sportplatzstraße 3, mit Linolschnitten von Heike Sadler, S 200,–.