Chancen für Morgen: Der Nationalpark beeinflusst auch das Leben in der Pfarrgemeinde
Ausgabe: 1999/39, Molln
28.09.1999 - Martin Kranzl-Greinecker, Judith Moser
Molln, das ist viel mehr als Maultrommeln. Der Nationalpark Kalkalpen eröffnet dem Ort neue Perspektiven.
Wer nach Molln fährt, kommt an einem Adler aus Metall vorbei, der neben der Straße seine Schwingen ausbreitet – das Zeichen für den Nationalpark Kalkalpen. Molln ist durch den Nationalpark in eine Randlage im doppelten Sinn geraten: Einerseits hat die Region ihren Charakter als geschlossenes Tal, andererseits beginnt hier der Park.
Wer noch weiter möchte, muss sein Auto stehen lassen und zu Fuß marschieren. Einmal im Jahr lädt die Pfarre zu einer Messe im Nationalparkgebiet ein: zur Bergmesse auf der Ebenforstalm, die am ersten Sonntag im Oktober stattfindet.Der Nationalpark wird vor allem für den Tourismus als Chance gesehen, auch wenn die Menschen anfänglich äußerst skeptisch waren. Mit der Landesausstellung 1998 „Land der Hämmer“ erlebten auch die Mollner Maultrommeln eine Renaissance.Der Arbeitsmarkt in Molln war von jeher von Industrie geprägt. Große Betriebe haben aber in letzter Zeit ihre Produktionsstätten ins Ausland verlagert. Durch die vielen Arbeitsplätze hatte und hat Molln einen relativ hohen Anteil an ausländischen Arbeitern. Ein wenig kritisch sehen die Mollner, dass die Zugezogenen, meist Moslems, sehr „für sich“ leben und kaum am öffentlichen Geschehen teilnehmen.
Gesund an Leib und Seele
In der Landwirtschaft gibt es auch in Molln keine Ausnahme: Kleinere Betriebe geben auf, in Seitentälern stehen bereits Häuser leer. Pfarrer Karl Gruber muss nach wie vor weite Strecken zurücklegen, wenn er die entlegendsten Pfarrangehörigen besuchen möchte: Die entfernteste Ortschaft ist 24 Kilometer vom Pfarrhof entfernt. Molln setzt auf Gesundheit und entwickelt sich zur Radfahrgemeinde. Auch die Pfarre reagiert: Zweimal wurden schon Radwallfahrten veranstaltet. Drahtzieher ist der Pfarrer, der selbst erfolgreich Rennen fährt und früher auch organisierte (z. B. in seiner Heimat Großraming).Sorge bereitet dem Pfarrer und seiner Pastoralassistentin Sr. Rosmarie Süss, dass es in der Pfarre nur eine kleine Gruppe aktiver Jugendlicher gibt. Dafür ist die Pfarre in der Kinderarbeit sehr aktiv. Sr. Rosmarie gestaltet monatlich einen Familiengottesdienst, auch zu den großen Festen gibt es einen zusätzlichen Gottesdienst für Familien.
In diesem Frühjahr erlangte Molln traurige Berühmtheit: knapp hintereinander nahmen sich vier Menschen das Leben. Der Ort war geschockt, das Problem wurde in der Pfarre nicht verdrängt. Pfarrer Gruber ging in den Pfarrnachrichten („Pfarrometer“) darauf ein und das Kath. Bildungswerk organisiert im Rahmen des Jahresprogramms „Der Mensch im Mittelpunkt“ eine Veranstaltungsreihe zum Thema „Gesund an Leib und Seele“.
Judith Moser
Steckbrief
Der Pfarre Molln gehören etwa 2870 Personen an. Die Gemeinde Molln hat um die 3800 Einwohner. Die Maultrommel, für die Molln bekannt ist, dominiert auch das Gemeindewappen. Molln liegt im mittleren Steyrtal, wenige Kilometer vom Steyrdurchbruch entfernt. Obwohl die Pfarre kleiner als die politische Gemeinde ist, die eine Fläche von 191 km2 hat, ist sie flächenmäßig eine der größten in der Diözese. Der Name des Ortes hat sich wahrscheinlich vom slawischen Wort „Zmolna“ für Pech abgeleitet. Molln dürfte eine Pechsieder-Siedlung gewesen sein. Von Beginn an ist die Orts- und Pfarrgeschichte mit dem Benediktinerstift Garsten verknüpft, das im späten 11. Jahrhundert gegründet und 1784 aufgehoben wurde. Die erste Erwähnung des Ortes erfolgte 1233 in einer Garstener Urkunde. Der spätere Abt Gerung gilt als Erbauer des ersten Mollner Gotteshauses in Steinbauweise; es dürfte schon vorher eine Holzkirche bestanden haben. Der heutige Kirchenbau geht auf die dritte Mollner Kirche zurück, die 1443 geweiht wurde. Von besonderer Bedeutung ist der 1734 erbaute und zuletzt 1994/95 restaurierte Pfarrhof. Bis zur Gründung der Diözese Linz im Jahr 1789 lag Molln im Bistum Passau.
Die Feste so feiern, wie sie gefallen …
Auf Feierkultur legt man in Molln großen Wert, sowohl im liturgischen als auch im außerkirchlichen Bereich.Wenn von Festen in der Pfarre die Rede ist, dann leuchten die Augen von Willi Lechner, seines Zeichens Tierarzt, und jene von Alexius Gruber, seines Zeichens Gendarmerie-Postenkommandant. Die beiden sind federführend im Fachausschuss „Feste und Feiern“ tätig. Vor allem ist damit natürlich die Vorbereitung und Durchführung des alljährlichen Pfarrfestes im Pfarrhofgarten gemeint, bei dem es in erster Linie um Gemeinschaft geht. In den letzten sieben Jahren habe es dabei kein einziges Mal dabei geregnet, betonen die beiden.Ein anderer gemeinschaftsstiftender Versuch wurde im letzten Juni erstmals unternommen und gelang auf Anhieb: eine Pfarrwallfahrt, die Gemütlichkeit und Frömmigkeit gleichermaßen anspricht. Es ging nach Maria Laach und danach zum Heurigen in die Wachau. Sogar sonst eher konservative Pfarrangehörige haben sich lobend geäußert, wird berichtet.
Um festliche Gestaltung, die den ganzen Menschen anspricht, bemüht man sich besonders in der Liturgie. Die musikalische Gestaltung ist dabei das eine. Hier ist die Unterstützung durch den pfarrlichen Laurentius-Chor ebenso sicher wie jene der Mollner Musikschule. Auch die Maultrommelspieler haben schon Messen gestaltet. Andere Bereiche, auf die man Wert legt, sind die Ministrantenarbeit, die Förderung des Volksgesangs und die Suche nach zeitgemäßer Sprache. Für Buntheit sorgt nicht nur, daß der Pfarrer manchmal im Gottesdienst gerne Bilder projeziert, sondern auch, daß immer wieder Afrikaner die Messe feiern. Denn derzeit unterstützt die Pfarre Molln zwei afrikanische Priester bei weiterführenden Studien.
Martin Kranzl-Greinecker
Aus dem Tagebuch eines Kirchenturms
Ich, der Turm der Mollner Pfarrkirche, habe in Wahrheit schon einige Jahrhunderte auf dem Buckel, zumindest was die mächtigen Steinquader in meinem Kern betrifft. Als offizielles Erbauungsdatum wird aber das Jahr 1801 genannt. 1870 wurde der Zwiebelturmhelm an meiner Spitze angebracht.
Über ein Jahrhundert war ich so das Wahrzeichen der Gemeinde. Bis zu jenem strengen Wintersturm am 12. Februar 1997, der das Turmdach an meiner Nordseite aufgerissen hat. Im Lauf des Jahres 1998 wird klar, dass mein bisheriger Helm es nicht mehr lange machen wird. Vor allem der hölzerne Dachstuhl ist so morsch, dass das Holz mit blossen Händen zerbröselt werden kann. Bei einer Pfarrversammlung Anfang März 1999 werden zwei Varianten für die künftige Form des Turmhelms vorgelegt. Soll es ein gotischer Spitzturm oder eine rundliche, sogenannte „Welsche Haube“ sein? Am 21. März 1999 stimmt die Pfarrbevölkerung über meinen neuen Hut ab. Nur wenige Stimmen entscheiden: Es wird die „Welsche Haube“ werden. Wer die Demokratie ernst nimmt, hat die Mehrheit zu akzeptieren.
Im Juli beginnen die Bauarbeiten und am Laurenzitag – 10. August –, dem Tag des Pfarrpatrons, wird es ernst: Der alte Helm wird mit dem Kran abgenommen und zur Erde gehievt. Der Dachstuhl des neuen Helms wartet – noch ohne Blechhaut – bereits. Für kurze Zeit stehen der alte und der neue Helm nebeneinander. Ein Kommen und Gehen. Dann wird der neue Helm hochgezogen. In den nächsten Wochen folgen die Spenglerarbeiten.
Der vorläufig letzte Höhepunkt meiner Geschichte ist das Fest der Turmkreuzsteckung am 26. September 1999. Im Anschluß an das Erntedankfest wird das Kreuz gesegnet und montiert. Nun bin ich wieder komplett, das Kreuz als Zeichen der Erlösung ist hoch über dem Ort aufgerichtet. Molln hat einen neuen Turmhelm. Viele freuen sich darüber, manche müssen sich erst daran gewöhnen. Wichtiger aber ist, dass die solide Arbeit für lange Zeit hält und Halt gibt.