12.10.1999 - Judith Moser, Martin Kranzl-Greinecker
In der Pfarre Wels – St. Josef im Stadtteil Pernau finden Menschen eine Heimat, die sich in anderen Pfarren nicht immer willkommen fühlen.
Vielleicht sind es die Gegebenheiten, die St. Josef zu dem machen, was es ist: Eine Pfarre am Rand der Stadt, mit Industriebauten und ursprünglich nicht so sehr als Wohngegend geplant, andererseits teils „im Grünen“ mit bäuerlicher Bevölkerung, die rege am Pfarrleben beteiligt ist. Zwischen Arbeitern und Bauern gab es nie Konfliktsituationen, es haben sich alle zurechtgefunden.
Kontrast ohne Konflikt
Das könnte der Grund sein, warum es Neuzugezogenen nicht schwierig gemacht wird, sich in der Pfarre daheim zu fühlen. Und das gilt gleichermaßen für Ausländer/innen. Mehrmals gab es bereits fremdsprachige Messen. Engagement für ausländische Mitbürger gibt es natürlich auch im sozial-caritativen Bereich,etwa in der Flüchtlingsbetreuung.
Neue Formen, neue Wege
Eine Besonderheit in St.Josef sind Gottesdienstleiter/innen, die eine Feier des Wortgottesdienstes auch dann ermöglichen, wenn Pfarrer Johann Bräuer nicht mit seiner Gemeinde feiern kann. Ungewöhnlich für Angehörige anderer Pfarren mag dabei die Frau im liturgischen Gewand erscheinen: Pastoralassistentin Claudia Hasibeder, die so den feierlichen Charakter des Gottesdienstes unterstreicht.
Die Toleranz der Pfarre schließt aber auch Menschen ein, die anderswo nicht so aktiv in der Pfarrgemeinde tätig sein könnten: Etwa wiederverheiratete Geschiedene, auf deren Kreativität die Pfarre keinesfalls verzichten möchte. St. Josef erregte in diesem Zusammenhang Ende 1994 große Aufmerksamkeit: Pfarrgemeinderat und Pfarrer erklärten sich (wie auch einige andere Pfarren) in einem offenen Brief an offizielle Kirchenstellen solidarisch mit wiederverheirateten Geschiedenen und mit Priestern, die „Barmherzigkeit vor das Gesetz stellen“.
Pfarrzentrum für alle
Offen ist auch das Pfarrzentrum St. Josef. Es gibt kein Lokal in Pernau, ein Treffpunkt fehlt. Am Sonntag, nach dem Gottesdienst ist deshalb das Pfarrstüberl geöffnet. Jede Woche organisiert eine andere Gruppe der Pfarre den Betrieb. Wochentags finden im Pfarrzentrum verschiedene Veranstaltungen statt. Und diese werden nicht nur von Pfarrangehörigen veranstaltet. So hatte vor kurzem auch die Blutspendeaktion ihren Platz im Pfarrzentrum. Neuerdings ist das Gebäude regelmäßig als Treffpunkt für Jugendliche geöffnet.
Judith Moser
Steckbrief
Die Pfarre Wels – St. Josef ist Nachfolgerin der Welser Vorstadtpfarre. Die Pfarrverlegung erfolgte mit 1. Jänner 1968. Josef, der Arbeiter, ist der Patron der Pfarre im früheren Welser Arbeiterviertel Pernau. Die Kirche trägt diese Überlegung weiter. Mit ihrer Architektur kann sie als Übergang vom weltlichen zum kirchlichen Bereich gesehen werden. Das Rotbraun der Ziegel etwa erinnert an industrielle Zweckbauten, der Innenraum ist sehr asketisch eingerichtet, er soll den Besucher auf das Wesentliche hinlenken. Der Grund, auf dem die Kirche steht, gehörte einst dem Hl. Adalbero, dem Stifter des Klosters Lambach. Von ihm ruhen Reliquien im Altar.
Der an die Kirche angeschlossene Pfarrhof, der überdachte Gang zum Pfarrheim und der Innenhof, sind einer klösterlichen Anlage nachempfunden. Kirche und Pfarrzentrum waren eine der ersten Anlagen in Österreich, die völlig in Sichtziegelmauerwerk, in zweieinhalb-jähriger Bauzeit errichtet wurden. Nach der Weihe der Kirche 1967 erwarb die Pfarre 1969 die barocke Kreuzigungsgruppe. Die Marienkapelle wurde 1978 von Teresa Stankiewicz (Krakau) ausgemalt.
Mit Gefühl und Geschmack
Die Pfarre und die Pfarrkirche leben von der Kreativität ihrer Menschen
Viele Pfarrangehörige schätzen die kunst- und liebevolle Gestaltung von Kirche und Kapelle in Wels-Pernau. In den letzten Jahren wurde in der Werktagskapelle eine Taufstelle (links, vor dem Marienbild von Teresa Stankiewicz) und eine Tabernakelsäule errichtet. Eine Besonderheit stellt der anspruchsvolle, zum Kirchenjahr passende Blumenschmuck (zum Beispiel im Bild rechts) dar. Erwähnenswert ist das Ostertuch, das Frauen in Patchwork-Technik genäht haben und das in der Osterzeit an der Stirnwand der Kirche hängt. Während der Firmvorbereitung wird die seitliche Kirchenwand zur „wall of hope“ („Mauer der Hoffnung“).
Draußen vor der Stadt…
Der Stadtteil Pernau liegt im Osten der Stadt Wels. Obwohl die Pernau und damit die Pfarre St. Josef voll zur Stadt Wels gehört, fühlen sich manche Bewohner oft „draußen“.
Ein Grund dafür ist der Mangel an Infrastruktur in der Pernau. Es gibt – mit Ausnahme der Pfarre – kein Zentrum im Stadtteil. Fachgeschäfte und Treffpunkte fehlen. Dafür wurden in den späten 60-er Jahren große Betriebe angesiedelt. Stark befahrene Straßen, z. B. die Bundesstraße 1, führen durch das Pfarrgebiet. Vor einigen Jahren entstand hier die Welser Abfallverbrennungsanlage. Der Widerstand, der sich regte, ging zum guten Teil von der Pfarre aus.An Lebensqualität fehlt es in der Pernau dennoch nicht. Wenige hundert Meter hinter der Kirche St. Josef endet das Siedlungsgebiet, das Grünland und die Traun sind zum Greifen nahe.
Hier, am Rand der Stadt, spielt die Pfarre eine entscheidende Rolle. Neben den ständigen Angeboten ist der jedes zweite Jahr abgehaltene Flohmarkt Treffpunkt für Jung und Alt. Und er sorgt dafür, dass die Pfarre ausgeglichen bilanzieren kann.
Von der Pernau führen die Wege aus der Stadt. Nicht nur im übertragenen Sinn, auch wörtlich: bei der mehrtägigen Pfarrwallfahrt etwa mit einer Wanderer-, Radfahrer- und Busfahrergruppe.Seit einem guten Jahr beherbergt das Pfarrgebiet die größte Welser Behinderteneinrichtung. Die Lebenshilfe OÖ. baute an der Westbahn ihre neue Tagesheimstätte. Künftig will die Lebenshilfe verstärkt aus der Isolation und mit der Pfarre in Kontakt treten.
Martin Kranzl-Greinecker
Pfarrsplitter
- Bewegt
Frauen und Männerrunden sind in Wels St. Josef aktiv. Die Frauen haben übrigens nicht weniger als sieben verschiedene Runden gegründet, von der Handarbeitsrunde über „Kinderkreisel“ bis zum Frauentreff „Wir Frauen über 50“.
- Gerettet
Eine bewegte Geschichte hat diese Pestsäule hinter sich: Es stammt aus dem Pfarrgebiet und wurde bei einem Altwarenhändler zum Verkauf angeboten. Pfarrangehörige haben das alte Kunstwerk zufällig entdeckt. Es wurde mit finanzieller Unterstützung der Stadt Wels angekauft und restauriert, jetzt hat es neben der Kirche einen neuen Platz gefunden.
- Benannt
Besuchern fällt auf, dass im Innenhof der Pfarranlage ein Strassenschild angebracht ist, das den Hof als „Johann-Bräuer-Hof“ ausweist. Der Hintergrund: Den 50er von Pfarrer Johann Bräuer feierten die Pfarrangehörigen im Vorjahr mit einem schönen Fest, zu dem alle Pfarr- gruppen etwas beigetragen haben. Höhepunkt der Feier im „schönsten Gastgarten der Pernau“ war die Enthüllung der Tafel mit dem neuen Hofnamen!