Ausgabe: 1999/47, Evangelische Kirchen, A. B., H. B.
24.11.1999 - Elisabeth Leitner, Martin Kranzl-Greinecker
58.000 Personen oder 4,2 Prozent der Bevölkerung gehören in OÖ der evangelischen Kirche an. 160 Jahre lang wurde diese Konfession verfolgt.
Von den 35 evangelischen Gemeinden im Land bezeichnen sich neun als Toleranzgemeinden. In Eferding, Gosau, Bad Goisern, Neukematen, Rutzenmoos, Scharten, Thening, Wallern und Wels hatten genügend Evangelische die Zeit der Verfolgung und Zwangsaussiedlung (ab 1624) überstanden. Denn nach dem Erlass des Toleranzpatentes durch Kaiser Joseph II. vom Oktober 1781 konnte dort eine evangelische Gemeinde entstehen, wo sich 500 Christen oder 100 Familien als dieser Konfession zugehörig meldeten. In Wels fand im Dezember 1781 der erste Bekenntnistag statt, der erste öffentliche evangelische Gottesdienst wurde im Juni 1782 in Scharten gefeiert. Besonders groß ist der evangelische Bevölkerungsanteil im Salzkammergut: In Gosau etwa macht er 90 Prozent aus, in Bad Goisern ca. 60 Prozent.
Heute leben in allen Landesteilen evangelische Christen, organisiert in 35 Pfarrgemeinden und seelsorglich betreut von ca. 50 Pfarrern und Pfarrerinnen. Manche evangelische Pfarren umfassen mehrere Dutzend politische Gemeinden, zur Pfarre Gallneukirchen mit über 1200 km2 Größe gehört das halbe Mühlviertel. Jede Pfarre wählt nicht nur Pfarrer oder Pfarrerin (auf zwölf Jahre) selbst, sondern auch die ca. 50-köpfige Gemeindevertretung. Soeben wurden in allen Pfarren die sechsjährlich stattfindenden Wahlen durchgeführt. Geleitet wird die Pfarre vom „Presbyterium“, dem auch der/ die Pfarrer/in angehört. Bezahlt werden Pfarrer/innen großteils aus dem Kirchenbeitrag, der zu 25 bis 35 Prozent in der Pfarre bleibt, sowie aus Eigenmitteln der Gemeinde. Personalmangel ist der evang. Kirche in OÖ unbekannt, im Gegenteil: Seit ca. zehn Jahren gibt es zu viele für den kirchlichen Dienst Ausgebildete. Denn auch bei der evang. Kirche sind die finanziellen Mittel derzeit knapp.Pfarrer/innen sind zum Religionsunterricht verpflichtet, dazu kommen Sakramentenspendung und Einzelseelsorge. Hauptaufgabe evangelischer Pfarrer aber ist der Dienst am Wort. Denn im Mittelpunkt jedes Gottesdienstes steht die Predigt.
Interview mit Superintendent Mag. Hansjörg Eichmeyer
Herr Superintendent, was wünschen Sie Ihren evangelischen Pfarrgemeinden?
Zum einen, dass sie in einer Zeit der Vereinsamung Gemeinschaft und Miteinander stiften. Zum anderen, dass jeder einzelne Christ mündig seinen Weg in Verantwortung vor Gott geht und seinen Glauben kennt. Wir sollen den Glauben nicht nur kennen, sondern darüber jederzeit Auskunft geben können.
Wie ist diese geistige-geistliche Herausforderung anzugehen? Indem sich viele Mitglieder unserer Gemeinden weiterbilden, zum Beispiel beim Theologischen Grundkurs „Was ist unser Glaube?“. Evangelische Christen sind meist durch Wort, Schrift und Predigt geprägt. Sie haben eine Nähe zum Lesen, was übrigens die einst und jetzt prozentuell sehr hohe Präsenz der evangelischen Jugend an Gymnasien und Universitäten erklärt.
Wie erleben Sie die Ökumene in Oberösterreich? Ich bin für das gute Miteinander mit der katholischen Kirche wirklich dankbar. Es gibt sowohl auf Gemeinde- wie auf Diözesanebene viel gelungene Zusammenarbeit.
>Bethaus und Kirche
Die älteste evang. – ursprünglich kath. – Kirche ist jene aus dem 15. Jh. in Attersee. Ab dem Ende der Verfolgung (Toleranzpatent 1781) konnten evangelische Christen Bethäuser errichten – freilich ohne Turm und runde Fenster (das war r.-k. Kirchen vorbehalten) und abseits der Straßen. Volle Gleichstellung kam erst 1861. Österreichs erste evang. Kirche mit Turm war jene in Wels (1852). Die bisher letzte evang. Kirche in OÖ wurde 1997 in Linz-Dornach geweiht.
Evangelische H.B.
Kleine Große Weltweit betrachtet ist die Evangelisch Reformierte Kirche H. B. (Helvetisches Bekenntnis) die größte evangelische Kirche. Diese Christen stehen in der Tradition der Schweizer Reformer Calvin und Zwingli. In Österreich hingegen stellen H. B.-Evangelische eine kleine Minderheit im Vergleich zu den Evangelischen A. B. (Augsburger Bekenntnis, Luther-Tradition) dar. Umso mehr wünscht sich Pfarrer Mag. Richard Schreiber von der einzigen oö. H. B.-Gemeinde in Leonding, selbstständig wahrgenommen zu werden. Hauptunterschiede zur Evangelischen Kirche A. B. sind die Kirchenleitung durch ein gewähltes Gremium (statt eines Bischofs), die Abendmahlsfeier als reines Gedächtnismahl und liturgische Freiheit (kein Schmuck, kein Kirchenjahr, keine Leseordung).In Oberösterreich leben etwa 800 evangelische Christen H. B., ihr Pfarrer ist seit 1992 Richard Schreiber. Die Kirchengemeinde in Leonding, zu der auch ein Altenwohnheim gehört, beschreibt Pfarrer Schreiber als zugleich sehr familiär wie auch liberal. Gegründet wurde die Gemeinde erst im 2. Weltkrieg, als 1944 deutschstämmige Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Linz kamen und hier Unterkunft fanden. Später wurden in den Vororten St. Martin und Doppl Siedlungen für sie gebaut. 1952/53 wurden Pfarrhaus und Kirche in der Haidfeldstraße in Leonding als Zentrum aller evangelischen Christen H. B. für ganz OÖ errichtet. Jeden Sonntag wird um 9 Uhr Gottesdienst gefeiert.
Übersicht über die evangelischen Pfarren (A. B.) in OÖ
- Attersee, TG (= Tochtergemeinde) Mondsee – PS (= Predigtstelle bzw. Predigtstation) in Weyregg und Unterach - BAD GOISERN - BAD HALL, PS Kremsmünster - BAD ISCHL , PS St. Wolfgang - BRAUNAU, PS in Hochburg-Ach, Riedersbach-Trimmelkam und Mauerkirchen - EFERDING - ENNS, PS Kronstorf und Mauthausen - GALLNEUKIRCHEN, PS Freistadt, Bad Leonfelden, Weikersdorf, Pregarten - GMUNDEN, TG Ebensee und TG Laakirchen, PS Scharnstein - HALLSTATT, PS Krippenstein und Obertraun - GOSAU - KIRCHDORF, PS Grünburg und Molln – TG Windischgarsten mit PS Hinterstoder, Rosenau, Spital, Steyrling - LENZING-KAMMER - LINZ-Dornach, PS Steyregg - LINZ-Innere Stadt, PS Leonding - LINZ-Süd, PS Ebelsberg und Kleinmünchen - LINZ-Südwest - LINZ-Urfahr, PS Rohrbach und Ottensheim - MARCHTRENK - MATTIGHOFEN, PS Lengau und Munderfing - NEUKEMATEN, PS Neuhofen – TG Sierning - RUTZENMOOS, PS Attnang - SCHÄRDING, PS Suben - RIED/INNKREIS, PS Geinberg, Eberschwang, Mehrnbach und Obernberg - SCHARTEN - SCHWANENSTADT - STADL-PAURA, PS Bad Wimsbach-N., Lambach, Eberstalzell und Roitham – TG Vorchdorf - STEYR, PS Garsten - STEYR-Münichholz, PS Weyer - THENING, PS Hörsching und Schönering - TIMELKAM, PS Frankenmarkt, Vöcklamarkt, Zipf, Frankenburg - TRAUN, TG Haid - VÖCKLABRUCK - WALLERN, PS Grieskirchen – TG Gallspach - WELS, PS Gunskirchen Sowie weitere Predigtstellen in den Städten.
Evangelisch-methodistische Kirche
Eine lebendige Gemeinschaft zeigt viel Engagement Seit 1922 gibt es eine methodistische Gemeinde in Linz. In OÖ zählt die Ev.-method. Kirche insgesamt 120 aktive Mitglieder.
Der Name „Methodist“ war anfänglich als Bezeichnung für jene gedacht, die versuchten, ihren Glauben auf eine bestimmte Art sichtbar zu leben. Für die Ev.-methodistische Kirche ist es charakteristisch, dass die „Nöte der Gesellschaft“ gesehen werden und darauf entsprechend reagiert wird. „Ganz wesentlich ist die Verbindung von Evangelium und sozialem Engagement“, erklärt Lothar Pöll, Pastor der Evang.-method. Gemeinde in Linz. Das „Zentrum Spattstraße“ wurde 1963 von der Ev.-method. Gemeinde gegründet und ist eine Intitiative in diese Richtung. Dort finden Kinder und Jugendliche Heimat und Betreuung, wenn sie sozial gefährdet sind, in Lebenskrisen stecken oder misshandelt wurden. In Österreich zählt die Methodistenkirche über 1.000 Mitglieder, insgesamt gibt es zehn Gemeinden (in OÖ: Linz und Ried i. I.). Seit 1951 gilt die Evang.-method. Kirche als anerkannte Religionsgemeinschaft in Österreich. Seit 1990 pflegt man Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft mit den Evangelischen Kirchen A. B. und H. B. Finanziell überleben die Gemeinden durch freiwillige Gaben ihrer Mitglieder.