Es gibt eine interessante Künstlerin in den USA. Ihr Name ist Jenny Holzer. Gerne positioniert diese Künstlerin Slogans, Lebensweisheiten, Alltagswissen in Form von Leuchtreklame an zentralen Plätzen einer Stadt. Mitten im Getriebe sollen diese Sätze auf Menschen wirken und herausfordern.
Das heutige Evangelium erinnert mich an diese Art der Inszenierung – nur wirkt die „Inszenierung“ des Markus noch kurioser: Während Jenny Holzer ihre Sätze an belebten Plätzen anbringt, ertönt hier ein Ruf in einer einsamen, verlassenen Gegend – in der Wüste! Wo liegt da der Sinn? Wer kann den Ruf überhaupt hören? Und welcher Ruf erschallt denn eigentlich? Und wer ruft? Wir merken es schon: Der Evangelist Markus schafft Spannung – und dies gleich zu Beginn seines Buches. Das, was nun kommt, hat Bedeutung für alles Folgende.
Der Ruf, mit dem das älteste Evangelium beginnt, wirbt, drängt und fordert auf: „Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!“ Oder mit anderen Worten: Der Herr kommt und wir sollen ihn ankommen lassen – unbedingt, denn sonst würden wir etwas versäumen! Der Herr klopft bei uns an, wir sollen unsere Tür nicht verschließen – es wäre zu unserem Nachteil!
Der Rufer dieser Botschaft ist Johannes der Täufer. An seiner Kleidung und an seinem Lebensstil wird ersichtlich, wer er ist: ein Mann Gottes. Und auch sein Wohnort verrät einiges: Die Wüste gilt als Ort der Gottsuche und der Gottesbegegnung. Johannes hat Zulauf. Es heißt sogar: Ganz Judäa und alle Einwohner Jerusalems zogen zu ihm hinaus. Der Täufer muss Worte gefunden haben, die die Menschen damals wirklich bewegt haben.
Menschen, die sich suchend in eine Wüste aufmachen, haben Sehnsucht. Gerade solchen Menschen gilt der Ruf des Johannes – bis herauf in unsere Zeit. Im Ruf „Bereitet dem Herrn den Weg!“ aber liegt die tiefe Überzeugung: Es gibt einen, der euch entgegenkommt – in eurer Sehnsucht, in euren Fragen, in euren Hoffnungen, in euren Ängsten. Es gibt einen, dessen Kommen Hilfe, Leben, Sinn und Halt bedeutet. Habt deshalb Mut und Vertrauen und öffnet euch.
Bereitet dem Herrn den Weg!“ – Dieser Ruf ist zugleich auch ein Aufruf, eine Aufforderung für die Christen und ihre Kirche: Sie sollen so leben, dass der Blick auf den Herrn nicht verstellt wird. Der Ruf des Johannes ist Auftrag: Räumt die Hindernisse – wie Engstirnigkeit, Unbarmherzigkeit, Selbstgerechtig-keit . . . – aus dem Weg, dass Christus bei den Menschen ankommen kann!