Ausgabe: 1999/49, Serie: Wer ist für mich Jesus Christus?
07.12.1999 - Kirchenzeitung der Diözese Linz, Luise Müller
Jesus als Lebensbegleiter und als festen Grund, der ihr Gelassenheit schafft. So beschreibt die evangelische Superintendentin Luise Müller ihre Jesus-Beziehung.
Wer für mich Jesus Christus ist? Ich kann mich an ganz frühe Kontakte mit dem christlichen Glauben erinneren, an das erste Gebet, das ich lernte, an meine überfromme Großmutter und ihre aufregende Bilderbibel, an den überlebensgroßen gekreuzigten Jesus, der in unserer Kirche im Altarraum hängt. Es sind unklare Bruchstücke, die noch kein einheitliches Bild ergeben. Dann die Himmelfahrtsgottesdienste: ich als kleines Kind, zusammen mit meinen Eltern unterwegs zum Gottesdienstplatz mitten im Wald. Der Pfarrer, auf einem Felsen stehend und predigend – so ähnlich habe ich mir Jesus vorgestellt. Dann der Kindergottesdienst – Jesus der Freund; der Religionsunterricht in der Schule – Jesus das Vorbild; der fromme Kinderkreis – Jesus, der für meine Sünden gestorben ist. Geblieben ist, sehr dominant, Jesus der Freund, der mir im Glauben, im Gottvertrauen vorangegangen ist. Dieses Bild hat sich wohl auch durch meinen Konfirmationsspruch so verfestigt, der da lautet: Lasset uns aufsehen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens (Heb.12, 2).
Entscheidung fürs Leben
Als Jugendliche hatte ich dann die kritische Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben. Nie ablehnend, aber früh schon theologisch hinterfragend. Das Leben Jesu habe ich als eine Geschichte wahrgenommen, die immer wieder neu anregt, belebt, hilft, tröstet, Mut macht, befähigt. Als Mitarbeiterin im Kindergottesdienst habe ich mit vierzehn begonnen, diese mir wichtigen Erzählungen weiterzuerzählen. Und dann, auch im Sommer, als ich vierzehn wurde: der erste Kontakt zur Diakonie (evangel. Hilfswerk). Die Werke der Barmherzigkeit, Mt 25 (Bergpredigt) und damit in Verbindung der diakonische Jesus. Er war von da an immer mit dabei. Zu dieser Zeit wuchs auch der Entschluß, Theologie zu studieren, eine Entscheidung, die ich bis heute keinen Tag bereut habe. Meine Hochzeit, der Trautext: „einen anderen Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist, Jesus Christus“ (1. Kor 3,11), von meinem Mann und mir ausgesucht, weil er eine Überzeugung ausdrückt: als Mitarbeiter Gottes bauen wir – wo immer wir tätig werden – auf dem Grund Jesus Christus. Nach 25 Jahren Ehe, nach 22 Jahren Berufstätigkeit, nach 20 Jahren Muttersein bin ich nach wie vor dieser Überzeugung: es gibt keinen Bereich in meinem Leben, der mit meinem Glauben an Jesus Christus nichts zu tun hätte. Jesus Christus ist die Basis meines Lebens und gleichzeitig das Ziel. Er ist Vorbild, ist Freund, ist Helfer, ist Begleiter.
Verlässlicher Begleiter
Ganz deutlich ist mir das an den Abschieden meines Lebens geworden. Als meine Großeltern starben, als ich mich entschloss, von Deutschland wegzugehen und in Österreich zu leben, als mein Vater starb, jetzt, wo meine Kinder anfangen, aus dem Haus zu gehen: da geht einer mit. Dort, wo ich nicht mehr mitkann, da nimmt mir einer diese liebevolle Begleitung ab. Einer, der stärker ist, als ich es je sein könnte, einer der treuer, fürsorglicher, verläßlicher ist. Das ist entlastend. Das schafft mir Gelassenheit.Überhaupt: meine Jesusbeziehung ist so selten die strahlende Hallelujafrömmigkeit. Eher eine stille, dankbare, hoffende. Die ausgestreckte wärmende Hand, die meine, manchmal kalten, Finger umfaßt, mir sagt: ich gehe mit, du mußt dir keine Sorgen machen. Es ist ein Schatz, der mir geschenkt wurde. Und mein Gebet ist: daß mir und den mir anvertrauten Menschen dieser Schatz erhalten bleibe – durch alle Höhen und Tiefen des Lebens. So etwa, wie es in dem Lied, das nebenan abgedruckt ist, zum Ausdruck kommt.
Bedenk-Text Ach bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesus Christ, daß uns hinfort nicht schade, des bösen Feindes List. Ach bleib mit deinem Worte bei uns, Erlöser wert, daß uns sei hier und dorte dein Güt und Heil beschert. Ach bleib mit deinem Glanze bei uns du wertes Licht; dein Wahrheit uns umschanze damit wir irren nicht. Ach bleib mit deinem Segen bei uns du reicher Herr; dein Gnad und alls Vermögen in uns reichlich vermehr. Ach bleib mit deinem Schutze bei uns du starker Held, daß uns der Feind nicht trutze noch fäll die böse Welt.< Ach bleib mit deiner Treue bei uns mein Herr und Gott; Beständigkeit verleihe, hilf uns aus aller Not.