Ludwig Kocsis pendelt zwischen Lackenbach im Mittelburgenland und Varaždin in Kroatien. Dort, 200 km entfernt, ist er Geschäftsführer des kroatischen Werkes des Ziegel- und Baustofferzeugers Leier. Seine Familie hat gelernt, mit der Abwesenheit des multibeschäftigten Vaters und seiner zeitlich beschränkten Aufenthalte im Burgenland zu leben.
Gependelt ist Ludwig Kocsis Zeit seines Berufslebens immer, wenn auch lange Zeit nur nach Wien. Daneben engagierte er sich auch noch vielfältig: Als leidenschaftlicher Bowlingspieler übte er bis vor kurzem das Amt des Präsidenten des Weltbowlingverbandes aus. Und die Gemeindepolitik war ihm ebenfalls ein Anliegen. 27 Jahre lang war er in Lackenbach Vizebürgermeister. Eine Aufgabe, die ebenfalls an den zeitlichen Ressourcen für seine Frau Sylvia und seiner Kinder Melinda und Harald knabberte.
Neue berufliche Weichenstellung
Besonders herausfordernd wurde es, als Ludwig von Michael Leier, heute Seniorchef des Baustofferzeugers Leier, persönlich gefragt wurde, ob er für seine Firma nicht einige Wochen nach Kroatien gehen wolle, um das Werk in Varaždin auf Vordermann zu bringen. „Ich war damals bereits 50 Jahre alt und bei einer Firma engagiert, die mit der Baustoffbranche überhaupt nichts zu tun hatte. Für mich war diese Materie völlig neu, in die ich mich einmal einarbeiten musste“, erzählt der gelernte Elektro- und Maschinenbauer. Doch er vertraute auf seine Managementfähigkeiten und sein Selbstvertrauen und sagte zu.
Nachbarinnen helfen zusammen
Sylvia war von der Entscheidung ihres Mannes weder überrascht noch erschüttert. Denn eines war sie immer schon gewohnt: den Alltag ohne ihren Mann zu bewältigen. „Mein Mann war immer nur sehr wenig zu Hause. Entweder aus beruflichen Gründen, dazu kamen zahlreiche Termine in der Politik und in seiner Funktion als Bowling-Weltverbandspräsident“, erzählt sie. Seitdem Ludwig in Varaždin arbeitet, kommt er nur an den Wochenenden nach Hause. Und selbst da standen oft Politik- oder Vereinstermine auf seinem Programm. Im Alltag half es Sylvia, dass in der Nachbarschaft viele Strohwitwen mit ähnlichem Schicksal wohnten. Die Frauen unterstützten einander bei der Bewältigung des familiären Alltags.
Kontakt via Skype
Die schwierige Pubertätszeit von Harald und Melinda hat Sylvia weitestgehend ohne ihren Ludwig gemanagt. „Ich habe schulische und andere Schwierigkeiten bewusst von meinem Mann ferngehalten. Wie hätte er mir vom Ausland aus auch helfen können“, erzählt sie. Dass die Kinder trotz der berufsbedingten Absenz des Vaters Kontakt mit diesem halten, war ihr immer sehr wichtig. Da bot Skypen, das Telefonieren über das Internet, eine neue, hervorragende Möglichkeit. „Ich wollte nie, dass die Kinder sagen, wer ist der Onkel, der bei der Tür hereinkommt“, sagt Sylvia halb im Scherz, halb im Ernst. Sylvia skypt während der Woche nach wie vor regelmäßig mit ihrem Mann.
Beinahe-Unfall verändert
Lebenseinstellung. Heute ist Ludwig Kocsis bewusst, dass er vieles beim Heranwachsen seiner Kinder nicht persönlich miterlebt hat. Und dass er eine starke Frau hat, die das Familienleben weitgehend alleine organisiert und zusammengehalten hat. Für seinen beruflichen Erfolg nahm Ludwig lange Autofahrten zu Kunden und Geschäftspartnern quer durch Europa in Kauf. Das war ihm lieber, als in den Flieger zu steigen. Doch dann kam jener Abend, an dem er schon sehr lange unterwegs gewesen war. Er hatte den Tempomaten eingeschaltet und das Gefühl, wie auf Schienen zu fahren. Doch dann übermannte ihn die Müdigkeit, sekundenlang fielen seine Augen zu, als er wieder zu sich kam, gelang es ihm im letzten Moment zu verhindern, mit dem Auto gegen einen Betonpfeiler zu prallen.
Das Leben genießen lernen
Dieses Erlebnis hat ihm die Augen dafür geöffnet, dass es auch noch andere Dinge im Leben gibt, als beruflichen und gesellschaftlichen Erfolg. Er schaltete einen Gang zurück, gab sein Amt als Präsident des Weltbowlingverbandes auf und beendete sein Engagement im Gemeinderat. Er achtet heute mehr auf seine Gesundheit und lernt gerade, das Leben abseits einer von Terminen bestimmten Berufswelt zu genießen, und das mit seiner Frau Sylvia. Die beiden gehen gerne auf Reisen, ihr Lieblingsland dabei ist Kuba. Eine Oase der Entspannung ist auch die Terrasse ihres Hauses mit Blick über Lackenbach. Und im Garten blühen die von Ludwig gezüchteten und gepflanzten Rosen. Auf die ist er besonders stolz.
Familiensynode
Auch wenn ein Elternteil auswärts arbeitet, muss der Kontakt nicht abreißen: Skype, Internet und Telefon werden dann zu wichtigen Kommunikationsmitteln. Kommunikation in der Familie war das Thema der heurigen Botschaft des Papstes zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel. Über die neuen Medien schreibt der Papst dort: „Heute können die modernsten Medien, die vor allem für die ganz jungen Leute mittlerweile unverzichtbar sind, für die Kommunikation in der Familie und unter den Familien sowohl hinderlich als auch förderlich sein.“
Kommunikation: in Verbindung bleiben
Was das konkret bedeutet, führt der Papst so aus: Die modernen Medien könnten „hinderlich sein, wenn sie zur Gelegenheit werden, nicht mehr zuzuhören, in einer Gruppe physisch anwesend zu sein, sich innerlich aber abzusondern, jeden Augenblick der Stille und des Wartens zu übertönen und so zu verlernen, dass die Stille ein wesentliches Element der Kommunikation ist. Ohne sie gibt es keine inhaltsreichen Worte.“ Aber der Papst erklärt auch, warum die modernen Medien sehr nützlich für Familien sein können: „Sie können förderlich sein, wenn sie helfen, zu erzählen und sich auszutauschen, in Kontakt mit denen zu bleiben, die fern sind, Dank zu sagen und um Verzeihung zu bitten und immer wieder Begegnungen zu ermöglichen. Wenn wir täglich diese zentrale Lebensfunktion, welche die Begegnung ist, diesen ‚lebendigen Anfang‘ neu entdecken, dann werden wir unser Verhältnis zu den Technologien zu gestalten wissen, statt uns von diesen steuern zu lassen.“