Bayern ist sehr nahe. Das Haus steht in Ostermiething, der Schlot in Bayern, Theater und Fachgeschäfte in Salzburg und der Dom in Linz: Ostermiethinger Verbindungen
Ausgabe: 2000/14, Ostermiething
04.04.2000 - Ernst Gansinger
Wirtschaftliche wie kirchliche Großwetterlage zeigen Wirkung. Biotope schaffen kleinklimatische Besonderheiten. Ostermiething ist ein Beispiel.
Als das in den 50er-Jahren errichtete SAKOG Braunkohle-Bergwerk im nahen Trimmelkam 1990 den Betrieb einstellte (Steinkohle und Öl konnten konkurrenzlos billig importiert werden), änderte sich für die gesamte Region viel. 700 Kumpels mussten sich nach anderen Verdienstmöglichkeiten umsehen. Das Bergwerk mit allen gewachsenen Beziehungen rundum (Siedlungen, Zuwanderungen) war nun Geschichte. Bayern, wohin man bis 1779 politisch gehörte, wurde zunehmend Gastland der Berufstätigkeit. Die Landwirtschaft ist wie anderswo auch für immer weniger Familien die alleinige Einkunftsquelle. Viele Söhne kehren insgesamt dem Arbeitsplatz Hof den Rücken. Die Arbeitsplätze und Lehrplätze „vor der Haustür“ werden rar. Viele arbeiten in Burghausen. Andere ziehen weg, ihr spezielles Fachkönnen ist nicht mehr einsetzbar.
Schüler/innen werden schon nach der Volks-, spätestens nach der Hauptschule „Fahrschüler“. Parallel dazu nimmt der Zuzug nach Ostermiething als Wohngemeinde zu. Die Leute erreicht man damit immer schwerer. Als das Bergwerk noch offen war, war dies leichter. Der Kontakt zur Pfarre wird dünner.
Und doch gibt es Anlässe, bei denen die Pfarre sehr viele erreicht: bei Begräbnissen und kirchlichen Hochfesten etwa. Begräbnisse waren schon immer wichtig im Innviertel. Pendler nehmen sich frei oder fahren ausnahmsweise mit dem Privatauto, um teilnehmen zu können. Der Kirchenchor hat keine Probleme, mit 15 bis 20 Leuten bei den Beerdigungen zu singen. Die Besucherzahlen bei den Gottesdiensten sind auch in Ostermiething rückläufig. Und doch – davon erzählt die Runde von Pfarraktivisten, mit der ich im Pfarrheim zusammentreffe mit vielen Beispielen – Solidarität, Zusammenhalten, Zupacken, sich die Kirche etwas wert sein lassen, das ist keine Frage.
Steckbrief
Wer von Linz anreist, tut gut daran, mindestens eine Viertelstunde früher nach Ostermiething aufzubrechen, als er/sie sich das ausgerechnet hat. Denn die Straßen quer durch das Innviertel sind kurvenreich und nötigen immer wieder zu stärkeren Abweichungen von der gedachten direkten Linie. Bleibt die Autobahn, Abfahrt in Salzburg-Nord, und dann über Oberndorf zurück nach Norden. Aber das ist auch nicht wirklich zeitsparender.Sehr viel weiter westlich kann ein oberösterreichischer Ort nicht liegen. Und auch der Stadt Salzburg kann man oberösterreichisch kaum näher sein. Doch geographische Entfernungen und Nähen sind nicht alles. Ostermiething ist ein typischer Innviertler Flecken.
Arbeiten fahren viele Ostermiethinger nach Bayern (z. B. Wacker Werke), einkaufen und zur Kultur nach Salzburg. Kirchlich aber ist die etwa 2.400 Menschen zählende Pfarre (der Markt ist mit 2.800 Einwohnern etwas größer) ganz und gar nach Linz orientiert. Ostermiething ist zunehmend ein Wohnort, gearbeitet wird auswärts, viele pendeln. Damit sind die Menschen nicht mehr so leicht erreichbar wie früher, als sich das Leben tagsüber noch mehr im Ort abspielte.
Nicht viel reden, es tun!
„Nicht viel reden, man tut es einfach, da braucht es keine großen Arbeitskreise.“ – Innviertler Mentalität, wie Erna Putz sagt.
Einfach tun! Etwa wenn es um Solidarität mit Menschen geht, die auf der Flucht nach Österreich verschlagen wurden, wie jene 25 „Boatpeople“, vietnamensische Flüchtlinge, die in Ostermiething selbstverständlich Aufnahme fanden. Auch im Pfarrhof und Pfarrheim waren und sind Flüchtlinge einquartiert. Pfarrer und Pfarrersköchin nahmen zwei vietnamesische Kinder in Pflege.
Natürlich gelingt nicht alles. Die jungen Menschen bleiben zunehmend weg. Derzeit gibt es keine Jungschar. Manchmal aber erreicht man doch fast alle. Die Tauffamilien des vergangenen Jahres etwa werden zu Maria Lichtmess in die Kirche eingeladen. Bei den jährlichen „Kindermetten“ qillt die Kirche wie auch am Palmsonntag über. Die Erstkommunionkinder bringen bei der Messe am Gründonnerstag die Gaben zum Altar. Am Ostermontag gestalten die Firmlinge den Gottesdienst. Einmal stellten sie bei einem Gottesdienst in der Fastenzeit die Leidensgeschichte Jesu als Gerichtsverhandlung dar. Regelmäßig gibt es Familienmessen, danach Pfarrcafé. Klassische Messen gehören zum gepflegten Repertoire des 32-köpfigen Kirchenchores unter Leitung von Dr. Alfred Desatz. Seine Frau Erna stützt als Organistin die Kirchenmusik. Ein Familienchor mit jungen Müttern pflegt das rhythmische Liedgut.
Viele Baumaßnahmen
Viel wurde erneuert (Renovierung der Kirche, Kirchenheizung, Bestuhlung, Ambo, Volksaltar, Restaurierungen von Kunstwerken, Orgel, Kirchturm ...). Ostermiething ist keine Ausnahme: Eine gepflegte Kirche, schöne Kapellen, renovierte Kreuze, ein schönes Geläut, die Turmuhr – äußere Zeichen sind den Innviertlern viel wert. Die Ernstinger haben sogar vor einiger Zeit ihre Kapelle wieder errichtet, die sie selbst erhalten. Regelmäßig wird hier unter der Woche Gottesdienst gefeiert. Wenn einer aus ihrer Mitte gestorben ist, kommen besonders viele. Nach dem Gottesdienst setzt man sich noch mit dem Pfarrer im Gasthaus zusammen.
Liturgie und Spiritualität
Das Leben zu Wort kommen lassen Die Liturgie ist Schwerpunkt. Die Ostermiethinger schätzen ihren Pfarrer KsR. Alfons Einsiedl, nicht zuletzt weil er es versteht, die Liturgie mit der Lebenserfahrung der Menschen zu verbinden. Die Predigten haben hohe Qualität. Bei Begräbnissen gelingt es ihm, auch Fernstehende mit seinen Ansprachen zu berühren. Der von allen gelobte Blumenschmuck der Kirche, für den Maria Maislinger sorgt, trägt mit zur Freundlichkeit der Kirche bei.Hausmessen für Kranke, die von den Frauen einmal im Monat gestalteten Gebetskreise und Meditationstreffen sowie ein monatlicher Gebetsabend für den Frieden, ein Rosenkranz für geistliche Berufe und die monatliche Bibelrunde gehören zum spirituellen Angebot. Der Besuchsdienst im Pflegeheim, die Sorge für die Flüchtlinge, die vielen Kommunionhelfer/innen und Ministranten sowie die Frauen und Männer im Lektorendienst sind weitere pfarrlich gepflegte Dienste.
Gedenken
Franz Krenn
Jedes Jahr zu Weihnachten wird in Ostermiething die Pastoralmesse in D von Franz Krenn (1899 - 1958) aufgeführt. Nicht mehr alle wissen heute, dass der Schöpfer der so gerne gehörten Musik einst Kaplan in Ostermiething war und später dann während der Nazi-Zeit Berufsverbot erhielt.
Jägerstätter
Alle Jahre wird am 9. August in Ostermiething ein Jägerstätter-Gedenktag mit Fußwallfahrt nach St. Radegund abgehalten. Dr. Erna Putz hat die Biographie dieses Mesners und NS-Opfers aus St. Radegund und sein Innviertler Umfeld recherchiert. Das Geschehen – die Jägerstätter-Verehrung und die Auseinandersetzung vieler Leute mit Jägerstätter, die hierher kamen und kommen – hat wesentlichen Anteil daran, dass die Diözese den Seligsprechungsprozess einleitete.
Ruderstaller
1946 wurde der Missionar der Kapuzinerpater Theophil Ruderstaller, gebürtig aus Ostermiething, in China ermordet. Die Pfarre hält die Erinnerung an ihn alljährlich mit einem Gedenkgottesdienst wach.
Konsequenzen
Christentum hat politische Konsequenzen. Die Pfarre Ostermiething pflegt diese Bedeutung: Wenn Menschen in die Mitte des gottesdienstlichen Feierns hereingenommen werden, deren Tun Mächtige dazu veranlasste, sie zu verfolgen. Eine Konsequenz, die sich aussetzt.