In der Botschaft vom Weißen Sonntag zieht uns ein Auferstehungszeuge ganz in seinen Bann: Thomas, genannt Didymus. Sowohl der erste, aramäische Name als auch der zweite, griechische Name bedeuten „Zwilling“. Mir war dieser Thomas schon immer sympathisch. Diese Sympathie geht freilich nicht so weit, dass ich ihn wie die romanhaften Thomasakten aus dem 3. Jahrhundert für den Zwillingsbruder Jesu hielte. Thomas war ein Jünger Jesu. Er gehörte zum Kreis der zwölf besonders Auserwählten. Während die synoptischen Evangelien Matthäus, Markus und Lukas nur seinen Namen nennen, schildert ihn das Johannesevangelium als Typ des von Zweifeln angefochtenen Jüngers. Als Jesus beim Abschiedsmahl zu seinen Freunden über den Weg zum Vater spricht und sagt: „Und wohin ich gehe – den Weg dorthin kennt ihr“, wirft Thomas ein: „Herr, wir wissen nicht, wohin die gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?“ Er fragt nach, er bewahrt sich in seiner Christusnachfolge seine für ihn typische Skepsis. Thomas war damit nicht allein. Lesen wir doch im Matthäusevangelium, dass auch andere Jünger, als sie den Auferstandenen sahen, Zweifel hatten (Mt 28, 17).
Das heutige Evangelium schildert eine der Ostererfahrungen der Jünger: Ihre Furcht vor den Juden wegen ihrer Zugehörigkeit zum Rabbi aus Nazareth. Selbst der Fels Simon Petrus war durch diese Furcht ins Wanken geraten und hat seine Zugehörigkeit zu Jesus nicht bloß einmal geleugnet. Das Schöne bei all diesen menschlichen Unzulänglichkeiten ist, dass der Auferstandene selbst bewirkt, was der Mensch aus eigener Kraft nicht kann: aus ganzem Herzen zu glauben. Unsere Verschlossenheit wird durch Christus selbst aufgebrochen und von innen her durch die Kraft des Heiligen Geistes aufgesprengt. Friede und Vergebung der Sünden werden auf diese Weise menschlich erfahrbare Wirklichkeiten.
Thomas war nicht dabei. Er kann nicht auf die Worte der anderen hin glauben, wenn sie auch noch so begeisternd vorgetragen werden. Eindringlich stellt er ihnen seine Skepsis gegenüber: „Wenn ich … meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.“ Doch Thomas kommt offensichtlich gar nicht dazu, Jesus mit eigenen Händen zu berühren. Johannes berichtet jedenfalls nichts davon. Umgekehrt ist es: Jesus berührt ihn, und zwar mit seinen Worten. Durch das Hören kommt man zum Glauben, sagt Paulus der Gemeinde von Rom, nicht durch das Angreifen und durch das Sehen. Diese Erfahrung lässt den Zweifler Thomas intensiver an der Seite Jesu sein, als dies mit den Händen möglich wäre.