Es sind gegensätzliche Ansätze: Die „Königsmentalität“ und die „Hirtenmentalität“. Der König lebt im Palast, bewacht von Soldaten. Sichernde Mauern umgeben ihn. Er kann in Ruhe schlafen. Die Menschen des Volkes müssen um Einlass bitten, wenn sie vor ihn treten möchten. Der Weg zu ihm wurde für die Besucher oft angsteinflößend mit hohen, engen Wegen gestaltet. Der König saß auf einem Thron. Die Besucher sollten sich vor dem König möglichst klein vorkommen.
Der Hirte hat keine schützenden Mauern um sich. Er wird auch nicht von Soldaten bewacht. Er selbst ist der Wächter. Der Hirte schläft an jener Stelle, an der es am gefährlichsten ist, nämlich am Eingang, am Tor, damit er seine wehrlosen Schafe vor den wilden Tieren beschützen kann. Der Hirte führt seine Schafe zur Tränke und auf die Weide. Er weiß um ihr Leben, um ihre Nöte. Er lebt mit ihnen.
In Israel haben die Propheten von einem „Hirten“ aus Davids Haus gesprochen. Dieser Tradition folgt Jesus. Er ist der „gute Hirt“, der seine Schafe kennt und der sein Leben für sie riskiert. Er ist nicht einer, der bei Gefahr sich nobel zurückzieht oder flieht.Auf diesem „guten Hirten“ baut die Kirche auf. Petrus ruft es eindringlich in der ersten Lesung in Erinnerung. „Er – Jesus – ist der Eckstein. In ihm ist das Heil zu finden.“ Er verführt nicht, er missbraucht nicht, vielmehr ist er rettend und schützend bei uns.
Die Mentalität des guten Hirten ist eine Ausrichtung des Lebens. Sie zeigt sich in der Einstellung zur Welt und zu den Mitmenschen. Die Mentalität des guten Hirten leben kann heißen, die schützenden Vorurteile und Vorverurteilungen abzubauen … jene in Schutz zu nehmen, die sich selbst kaum oder gar nicht wehren können … die Throne der Selbstgefälligkeit und Selbstverherrlichung zu verlassen … zu riskieren, dass man im Einsatz für andere angefeindet und verletzt wird … auf die Stimme der Anvertrauten zu hören, ihnen Gehorsam zu sein … mit den Menschen zu sein … darauf zu schauen und zu achten, was hilft dem/der anderen weiter …
Die Mentalität des guten Hirten ist nicht automatisch mit einem Sakrament oder einer Weihe mitgegeben. Gerade Amtsträger und Verantwortliche in der Kirche stehen in der Gefahr, weit entfernt zu sein, weil sie nicht mehr bei den Menschen und ihren Nöten sind, ihre Stimme nicht kennen. Ich wünsche mir „gute Hirten“ unter Vätern und Müttern, unter Alleinstehenden und Verheirateten, unter Laien und Amtsträgern, unter einfachen Menschen und Politikern.