Innerhalb des Zauns das Glück, außerhalb das Elend. Wer möchte so leben? Ein Leitartikel von Matthäus Fellinger.
Ausgabe: 2015/45, Fellinger, Leitartikel, Glück
03.11.2015 - Matthäus Fellinger
Es lebt sich gut hier, wirbt der Fremdenverkehrsprospekt: die Gegend schön, das Essen wunderbar, verkehrsmäßig bestens erschlossen und trotzdem ruhig. Das ist es, was man sich unter einem guten Leben erträumt. Dem Glück steht nichts im Wege – es sei denn, man verdirbt es sich selbst. Auch Petrus wollte ein gutes Leben haben. „Hier ist gut sein, hier lasst uns drei Hütten bauen“, meinte er entzückt, als er den idealen Platz gefunden zu haben meinte. Niemand würde da oben die Ruhe stören. Aber da hat er sich gründlich getäuscht. Gut zu leben nur für sich selbst, das wäre kein gutes Leben. Auch in einer schönen Gegend, bei gutem Essen, bestens ausgebauten Straßen und herrlich ruhiger Lage wird Leben erst gut, wenn sich ein Mensch nicht abkapselt in seinem Glück – sondern sich öffnet und teilt. Nicht, wer sein Leben genießt, wird es gewinnen, sondern, wer es gibt – sagt immerhin Jesus. Zäune also, mit denen man sich die Störenfriede des eigenen Glücks vom Leib halten will, sind nicht bibeltauglich. Und: Ob nicht innerhalb solch errichteter Zäune das Glück erst recht verloren ginge? Europa – ein Ghetto der Glücklichen? Wer möchte gut leben, wenn draußen das Elend wohnt?