Die ganze Heilige Schrift ist Zeugnis für das Bemühen um das treffende, einprägsame, aktuelle und zeitgemäße Wort. Bischof Stecher gibt Hinweise für eine echte, kraftvolle und glaubwürdige Verkündigungssprache der Kirche.
Wie soll man heute in der Kirche reden? – Darüber muss man sicher nachdenken, schon aus einer gewissen Sprachnot der Verkündigung heraus. Aber abgesehen davon, dass die Antwort gar nicht so leicht und präzise zu geben ist: Sprache in der Kirche ist nicht einfach nur ein formales oder inhaltliches, stilistisches, kulturelles, schriftstellerisches Problem. Da ist mehr im Spiel. Wir müssen uns bei der Sprache in der Kirche um eine spirituelle Verwurzelung bemühen. Wir sind nun einmal im Zeitalter ausufernder Wörter. Die Quantität droht auch im kirchlichen Bereich die Qualiät zu verdünnen.
Sprache der Ermutigung
Die Sprache der Kirche müsste heute akzentuiert eine aufrichtende, ermutigende Sprache sein. Es muss in ihr jene Tendenz sichtbar werden, die vom ewigen Wort ausgesagt wird, das den glimmenden Docht nicht auslöscht und das geknickte Rohr nicht bricht.Ich will nicht die prophetische Warnung ausklammern und nur mehr streichelnden Sprachformen das Wort reden, aber ich würde den feinen Windhauch am Horeb dem Blitz und Donner des Sinai vorziehen.
In unserer Welt ist vieles krank. Krankheit heilt man nicht mit rhetorischen Vorschlaghämmern. Das uralte Bild von Christus dem Arzt wird wieder aktuell.Der Mensch von heute bedarf der persönlichen Sprache. Der Mensch hört, gerade im religiösen Bereich, auf das „Es“ kaum hin. Es hat wenig Sinn, wenn kirchliche Würdenträger sich Aussagen und Predigten von anderen vorbereiten lassen und dann eine Schallplattenrolle in der Verkündigung übernehmen. Die Sprache der Kirche braucht essentiell den Charakter des Zeugnisses. Sie darf nicht zur bloßen Verlautbarung, zur bloßen „hierarchisch-amtlichen Äußerung“ verkommen.
Die Sprache der Kirche muss in unserer Zeit eine dialogische Sprache sein. Es geht hier nicht um ein langes geübtes Abhobeln und Schleifen der Aussagen, bis sie jedem passen. Es geht um etwas anderes. Für den, der heute verkündet, ist es notwendig, die Antennen kreisen zu lassen. Der Geist weht in der Kirche in vielen Richtungen. Er hält sich nicht an Dienstwege, bei aller Bedeutung des Amtes. Aber in einem Kirchenverständnis, das die Kirche als lebendiges Ganzes sieht, muss der Sprecher für vieles offen sein, bevor er spricht. Denn manches ist anderswo früher und besser erfasst als in den Gedankengängen der Hierarchen. Ich habe schon sehr viele Kirchenlehrer mit Volksschulbildung getroffen, ja ich habe mir heimlich Formulierungen notiert, die achtjährige Kinder erfunden haben.
Bilder zum Verweilen
Auch am Ende des kopforientierten und computergesteuerten Jahrhunderts muss die Sprache der Kirche um das Bild bemüht sein. Nur das Bild fängt das Mysterium ein, auch in der Epoche der „Weltformeln“. Nur das Bild freundet sich mit dem Gedächtnis an, auch im Zeitalter raffinierter Lernpsychologie. Nur das Bild bietet die Bank zum Verweilen an. Trockene Sätze tun das nie. Je mehr die Kirche das Geheimnis des Heils verkündet, umso mehr braucht sie das Bild.
Kirche muss polyglott sein. Mit anderen Worten: Sie muss viele Sprachen sprechen. Und die Liebe muss viele Sprachen lehren. Ich meine das nicht im Sinne fremdsprachlicher Gewandtheit. Ich meine Vielsprachigkeit, die von der Vielfalt der Empfänger bestimmt ist. Es gibt verschiedene Sprachen für Jungschar und Universitätsprofessoren, für Volksschüler und Theologiestudenten, für charismatische Bewegungen und Alpenvereinsmitglieder, für Caritas-Mitarbeiter und Kirchenchöre. Auch Christus hat spezifiziert gesprochen: Mit Rabbinern hat er rabbinische Denk- und Diskussionsformen verwendet und mit den einfachen Leuten die Sprache ihres Alltags.
„Spezialbrotsorten“
Wenn man die Sprache mit dem Brot vergleicht, so könnte man sagen, dass es in der Verkündigung wohl auch den Unterschied von Mehl und den verschiedenen Brotsorten gibt. In der Kirche wird sicher viel Mehl gemahlen. Müller gibt es viele, Bä-cker wenige. Jeder tüchtige Bä-cker bietet heute eine Menge Brotsorten an, für jeden etwas. Auch in der Kirche braucht es die Spezialbrotsorten, man kann nicht für jeden denselben Wecken in den Backofen schieben.
Auszug eines Vortrags von Bischof Stecher im Jahre 1993 in Innsbruck zum Thema „Kirche und Sprache“.