Der Apostel Thomas kann einfach Bedingungen stellen. Er besteht darauf, seine Hände in die Wundmale des Auferstandenen zu legen. Scheinbar reicht es für Thomas nicht aus, dass seine Kollegen Zeugen der Auferstehung sind. Thomas ist ein Sturkopf – jemand, der erst nach sehr genauer Prüfung sagt: „Das glaube ich.“ Der Apostel scheut sich nicht, Unklarheiten beim Namen zu nennen und Fragen zu stellen (Joh 14, 5). Er will wissen, worauf er sich ein-lässt. Thomas riskiert nicht, einer Täuschung zum Opfer zu fallen. Sein Schmerz über die Kreuzigung des Menschen, für den er bereit war, sein eigenes Leben zu geben (Joh 11, 16), sitzt tief. Mit allen Sinnen will er erfahren, ob die Botschaft von der Auferstehung der Wahrheit entspricht. Als Christus dann – trotz ver-riegelter Türen – in der Mitte der Jünger erscheint, als Thomas’ Wunsch erfüllt wird, spricht er sein starkes Bekenntnis: „Mein Herr und mein Gott.“
Und was ist mit uns? Wir können Jesus nicht mehr „live“ erleben. Wir haben keine Gelegenheit, die Jünger zu befragen. Schon gar nicht können wir stur darauf beharren, nur dann zu glauben, wenn wir Jesus Christus sehen oder berühren dürfen. Stünden wir an Thomas’ Stelle, fiele es auch uns leicht, mit ganzer Gewissheit an das Heil der Auferstehung zu glauben.
Wir aber sind auf die Bibel angewiesen, auf den schriftlichen Erfahrungsbericht der Zeitzeugen. Doch ist das alles? Glauben wir an Jesus Christus, nur weil in unseren Bücherregalen zwischen vielen anderen ein Buch steht, das den Titel „Bibel“ trägt? Werden Menschen zu Christen, weil sie dieses Buch von Zeit zu Zeit durchblättern? Nein, wir glauben auch deshalb, weil es seit 2000 Jahren Menschen gibt, die den Inhalt dieses Buches als lebendige Wahrheit erfahren und weitergeben. Diese Menschen machen augenscheinlich, dass durch Glauben Leben ermöglicht wird – Leben in seinem Namen. Bei ihnen können wir finden, was auch Thomas suchte: Gewissheit mit allen Sinnen.
So gesehen ist unsere Situation nicht schwieriger als die des Apostels Thomas – aber anders. Thomas konnte sich nicht auf Millionen Gleichgesinnte stützen. Er konnte die Antworten auf seine Fragen nicht bei den Eltern, in der Pfarre oder in unzähligen theologischen Büchern suchen. Wir hingegen können die Bedeutung von Tod und Auferstehung Jesu Christi für unser Leben nicht so unmittelbar, manchmal gar nicht, oft nur mit Mühe erkennen. Allerdings bleibt unsere Anstrengung im Evangelium nicht unkommentiert. Wir dürfen uns als Seliggepriesene erfahren, wenn wir glauben, obwohl wir nicht sehen.