Die Fastenzeit ist da, der Ostersonntag kommt mit dem 27. März in den westlichen Kirchen heuer früh. Die orthodoxen Christen müssen sich bis zum 1. Mai gedulden. Damit zeigt sich die Gespaltenheit des Christentums gerade bei der Feier des größten Festes – wie schon oft in der Kirchengeschichte.
Im sechsten Jahrhundert suchte in Rom der gelehrte Mönch Dionysius Exiguus („Dionysius der Kleine“) im Auftrag des Papstes nach der Lösung für ein gar nicht kleines Problem: Seit geraumer Zeit stritten sich die Christen um das korrekte Osterdatum. Unter dem römischen Bischof Victor hatte das am Ende des zweiten Jahrhunderts fast zu einer Kirchenspaltung geführt.
Zwar hatte man sich dann am Konzil von Nicäa (325) darauf verständigt, Ostern am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond zu feiern – auch um sich vom jüdischen Paschafest abzugrenzen. Das Problem war damit aber nicht gelöst: Rom und Alexandria verwendeten verschiedene Methoden zur Bestimmung des Frühlingsvollmonds. Dazu kommt, dass es nicht nur um sachliche Argumente ging, sondern auch darum, wer mehr Einfluss hatte. Die Vorherrschaft des Papstes, wie wir sie heute kennen, war erst im Entstehen.
Eine Rechnung setzt sich durch
Der Mönch Dionysius stellte bei seiner Arbeit jedenfalls fest, dass die Berechnung der Alexandriner geeigneter war als jene der Römer. Er schuf auf dieser Grundlage eine Ostertafel mit Terminen für die Jahre 532 bis 626. Bis dieses Vorgehen allgemein akzeptiert wurde, vergingen aber rund zwei Jahrhunderte. Im achten Jahrhundert setzte ein anderer Mönch, Beda Venerabilis, die Prinzipien von Dionysius’ Osterrechnung durch.
Doch das Osterdatum machte weiter Probleme. Grund dafür war, dass das Sonnenjahr nicht, wie im julianischen Kalender angenommen, 365,25 Tage lang ist, sondern rund 365,2422 Tage. Die Sonne beendet ihren Jahreslauf schneller als der Kalender. Der Fehler hatte sich seit der Einführung des julianischen Kalenders 46 v. Chr. summiert: Der astronomische Frühlingsbeginn (Tag-Nacht-Gleiche) fand zum Beispiel im Jahr 1400 tatsächlich nicht mehr am 21. März, sondern schon am 10. März statt. Das brachte auch die Bestimmung des Osterfestes erheblich durcheinander.
Ein Papst greift ein
Verschiedene Ansätze, das Problem zu lösen, waren im Sand verlaufen. Also verkündete Papst Gregor XIII. auf Anraten einer Kommission, dass erstens auf den 4. Oktober 1582 der 15. Oktober zu folgen habe. So wurde der bisherige Fehler ausgebessert. Und damit man dasselbe nicht künftig immer wieder machen müsse, um den Frühlingsbeginn im Kalender zu stabilisieren, sollte zweitens zu bestimmten Zeiten das Schaltjahr, das im julianischen Kalender fix im Vierjahresrhythmus vorgesehen war, nicht stattfinden. Das war zuletzt im Jahr 1900 der Fall, das keinen Schalttag hatte, obwohl es in den Vierjahreszyklus fiel.
Mangelnder Einfluss
Astronomisch war jetzt wieder alles im Lot, aber nicht politisch: Es gab keine einheitliche Christenheit mehr, in der sich ein Papst durchsetzen konnte. 1054 hatten sich Katholizismus und Orthodoxie im Streit getrennt, rund ein halbes Jahrtausend später kam es zum Bruch mit Anglikanern, Lutheranern und Reformierten. Zwar führte ein großer Teil der katholisch verbliebenen Gebiete Europas den gregorianischen Kalender im Jahr 1583/84 ein. Aber für die anderen Kirchen war die Reform zunächst ein Machwerk des Papstes – und damit abzulehnen. Das protestantische Herzogtum Preußen führte den gregorianischen Kalender 1612, Großbritannien 1752 und Russland überhaupt erst 1918 ein. In den orthodoxen Kirchen blieb der julianische Kalender für die Osterberechnung bindend. Nur ab und zu, zum Beispiel 2017, ergibt sich daher ein gemeinsamer Ostertermin aller Christen.
Ein Termin?
Das ist auch für staatliche Verwaltungen mühsam, insbesondere in Gebieten mit verschiedenen christlichen Konfessionen. Ostern an einem möglichst fixen Termin allgemein festzulegen, wurde 1926 zum Beispiel vom Völkerbund und vom britischen Parlament gefordert. Grundsätzliche Bereitschaft dazu bekundeten mittlerweile auch manche Kirchen. Papst Franziskus hat zum Beispiel bereits mehrmals den Umstand der getrennten Termine beklagt.
Allerdings gibt es einen Haken: Es war ein Konzil, eben jenes von Nicäa, das die variable Lage des Ostertermins festlegte. Entscheidet man sich für einen stabileren Termin, etwa den immer wieder erwähnten zweiten oder dritten Sonntag im April, wäre das ein Bruch mit dieser Tradition. Das ist für manche der orthodoxen Kirchen schwer zu akzeptieren.
Großer Schritt
Befürworter eines gemeinsamen Termins sind neben Franziskus der koptisch-orthodoxe Papst von Alexandria, Tawadros II., und der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. Auch Anglikanerprimas Justin Welby zeigte vergangene Woche einen gewissen Optimismus: In fünf bis zehn Jahren sei ein gemeinsamer Ostertermin für alle Christen möglich, hofft er. Es wäre jedenfalls ein großer Schritt, wenn man die bisherige Kirchengeschichte betrachtet.
Zur Sache
Ostertermin
Ostern fällt auf den Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond. Weil sich das Fest also am Mondjahr orientiert, das rund elf Tage kürzer ist als das Sonnenjahr, wandert das Datum über die Jahre im Kalender hin und her. Denn das Kalenderjahr ist ein Sonnenjahr. Der frühest mögliche Ostersonntag ist der 22. März, der späteste der 25. April. Bewegliche Feste wie Christi Himmelfahrt oder Pfingsten hängen vom Osterdatum ab.
Jahreswechsel
Im europäischen Mittelalter war mancherorts die genaue Bestimmung des Osterdatums auch aus einem verwaltungstechnischen Grund notwendig. Denn z. B. in Frankreich war seit dem 11. Jahrhundert bis 1564 am Ostersonntag auch der Wechsel des Kalenderjahres, wenn es um die Datierung ging. Die Jahre waren unterschiedlich lang. Das war aber nur einer von mehreren Bräuchen: Am verbreitetsten war der Jahreswechsel am 25. Dezember, andernorts fand er am 6. Jänner, am 1. März (wie in Rom vor Julius Cäsar), am 25. März (Mariä Verkündigung) oder am 1. September wie in Byzanz) statt. Durchgesetzt hat sich der ursprüngliche Jahreswechsel des julianischen Kalenders, der 1. Jänner. Die ungleichen Stile bedeuten, dass mitunter derselbe Tag je nach Region verschiedenen Jahren zugeordnet wurde.
Zur Sache
Christliche Jahresrechnung
Vom achten Jahrhundert bis ins Hochmittelalter verbreitete sich eine Jahresnummerierung, die Dionysius Exiguus zwei Jahrhunderte vorher eher nebenbei geschaffen hatte und die seither nur unter Gelehrten praktiziert wurde: Dionysius hatte die Jahre seiner Ostertafel ab Christi Geburt gezählt. Bisher wurden Jahre u. a. nach der sagenhaften Gründung Roms, nach Olympiaden oder nach Herrschaftsjahren nummeriert. Zu Dionysius’ Zeit war eine Nummerierung seit dem ersten Herrschaftsjahr des Kaisers Diokletian üblich gewesen. Dagegen hatte sich der Mönch gesträubt, da Diokletians Herrschaft für die letzte große Welle der Christenverfolgung im Römischen Reich steht.
Neue Ära
Dionysius’ erklärtes Ziel bei der Nummerierung der Jahre ab Christi Geburt war es, „dass uns der Beginn unserer Hoffnung besser bekannt werde“. Trotzdem setzte sich diese Idee nicht gleich durch. Die Datierung ab Christi Geburt taucht auf päpstlichen Urkunden etwa ab dem zehnten Jahrhundert auf. Bis heute erhalten ist eine ältere Art der Datierung als Zusatz zum herkömmlichen Datum: Die Zählung der Pontifikatsjahre des jeweiligen Papstes. Derzeit sind wir im dritten Jahr des Pontifikats von Franziskus.
Andere Systeme
Durchgesetzt und durchgehalten hat sich freilich weltweit die Zählung „ab Christi Geburt“, auch wenn der Zeitpunkt, den Dionysius dafür festsetzte, nicht ganz korrekt ist (Jesus muss nach den Hinweisen in den Evangelien vor 4 v. Chr. geboren worden sein) und andere Religionen eigene Kalender haben. Aus ideologischen oder religiösen Gründen wurde aus dem Zusatz „nach Christi Geburt“ manchmal „nach unserer Zeitrechnung“. Gescheitert sind Versuche wie jener der Französischen Revolution, ganz neue Kalender einzuführen.