Gott spricht die Menschen in ihren konkreten Lebenssituationen an
Ausgabe: 2003/06, Propheten, Kriegsvorbereitungen, USA, Jesajas, Bibel
04.02.2003 - Kirchenzeitung der Diözese Linz
Propheten sind Mahner gegen das Verdrängen. Sie fordern zum Hinschauen heraus.
Wir kennen niemanden, dem die Kriegsvorbereitungen der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak gleichgültig sind. Und dabei ist der Vordere Orient „nur“ einer der Krisenherde der Welt. Prophet/-innen, die heute wie zur Zeit Jesajas vor 2750 Jahren ihre warnenden Stimmen erheben, die sich für den Frieden einsetzen und für die guten Lebensbedingungen aller Menschen, haben es schwer. Machtinteressen, Verkettungen und Verstrickungen, Leid der Opfer und generationenlanger Hass lassen dem „Friedenspflänzchen“ wenig Chance.
Prophetisches Wirken
Prophet/-innen sind keine „Vorhersager“, die die Zukunft vorhersagen, sondern sie sind „Hervorsager“. Sie schauen genau hin und analysieren den Zustand der Welt, und sie ziehen daraus ihre Schlussfolgerungen – so und so wird sich das auswirken! Wie wird ein Prophet und eine Prophetin dem Ruf Gottes oder seiner und ihrer humanistischen Verpflichtung gerecht? Laut und grob, damit es wirkt? Oder mit Androhungen von Strafen? Oder mit Trost und Beistand? Ein origineller Bibeltext (siehe Kasten) reflektiert die Rolle und Aufgabe des Propheten Jesaja, des bedeutendsten Schriftpropheten des Alten Testamentes. Jesaja, sein Name bedeutet „Gott hat geholfen“, stammte aus der städtischen Jerusalemer Oberschicht. Verheiratet war er mit einer Prophetin, deren Name nicht erwähnt wird (Jes 8,3). Seine beiden Söhne hat er mit auffälligen Namen in den Dienst seiner Verkündigung gestellt. Die Gestalt und Botschaft des Propheten Jesaja liegt dem ersten Teil des Jesaja-Buches zugrunde. Sein Schüler- und Anhängerkreis hat seine Worte weitergegeben und auf die jeweils neue Situation aktualisiert. Man nimmt an, dass die Kapitel 1–39 des Jesajabuches in einem Zeitraum von etwa 450 Jahren entstanden sind. Die meisten Einwohner/-innen von Jerusalem in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts verdrängen den Ernst der politischen Situation. Die Auseinandersetzungen mit der assyrischen Großmacht lösen verschiedene Krisen aus, aber das kleine Königreich Juda mit seiner Hauptstadt Jerusalem vertraut auf militärische Bündnisse und verdrängt die Katastrophen, die sich abzuzeichnen beginnen.
Mit Blick auf die Menschen
Wie kann Jesaja in dieser Situation die Menschen aufrütteln?Unser Text denkt in Form einer typisch weisheitlichen Lehrrede mit einem Vergleich über die Aufgabe und Rolle des Jesaja nach: Ein Bauer führt die verschiedenen Arbeitsgänge bei der Aussaat genau und sachkundig durch und er wendet bei der Ernte das jeweils notwendige Vorgehen und die richtigen, klugen Mittel an. Das Handeln des Bauern entspricht Gottes Willen und seine Umsicht hat Erfolg. Gott schenkt das Gedeihen.So geht auch Jesaja genau auf die Lage der Menschen in dieser schwierigen Zeit ein. Er mutet denen Drohungen und drastische Symbolhandlungen zu, deren Herzen träge und machtgierig sind. Er kündet denen Rettung und Heil an, die Schreckliches erlebt haben und verzweifelt sind. Er will die Menschen dazu gewinnen, dass sie – statt auf militärische Gewalt – auf Gott vertrauen. Gott will nicht Rache, sondern dass alle zu ihrem Recht kommen. Jesaja ist der Mund für Gottes Wille, dass die Menschen zu ihrem Heil und zur Fülle des Lebens finden. Der friedliche, die Menschen ernährende Bauer ist das Vorbild für Jesaja und kann es auch für Prophet/-innen heute sein.
Wie der Bauer
Der Text Horcht auf, hört meine Stimme, gebt Acht, hört auf mein Wort!Pflügt denn der Bauer jeden Tag, um zu säen, beackert und eggt er denn jeden Tag seine Felder? Nein, wenn er die Äcker geebnet hat, streut er Kümmel und Dill aus, sät Weizen und Gerste und an den Rändern den Dinkel. So unterweist und belehrt ihn sein Gott, damit er es recht macht. Auch fährt man nicht mit dem Dreschschlitten über den Dill und mit den Wagenrädern über den Kümmel, sondern man klopft den Dill mit dem Stock aus und den Kümmel mit Stecken. Zermalmt man etwa das Getreide beim Dreschen? Nein, man drischt es nicht endlos, man lässt die Wagenräder und die Hufe der Tiere nicht darübergehen, bis es zermalmt ist. Auch dies geht aus vom Herrn der Heere; er führt seinen Plan wunderbar aus, seine Umsicht lässt er groß sein. Jesaja 28, 23–29