Wohnzimmer vs. Schlafzimmer

Bei LAN-Partys vernetzen Computerbegeisterte ihre Geräte und spielen mit- und gegeneinander. Manche der Spiele aber sind umstritten.

Im Vorzimmer liegt ein Haufen Schuhe. Aus zwei Türen hört man Stimmen. Hinter der ersten befindet sich das Schlafzimmer. In der Ecke steht ein Tisch mit zwei Computermonitoren. Ein Kabel verbindet die Computer im Schlafzimmer mit dem Wohnzimmer. Auch hier stehen Computer, in der Mitte liegt ein Kabelgewirr. Es ist kurz nach neun, die Netzwerksession in Michaels Wohnung kann beginnen.
Netzwerksessions sind private Versionen von so genannten LAN-Partys. LAN – so werden die Netzwerke von örtlich zusammengeschlossenen Computern genannt. Das sind optimale Voraussetzungen für Computerspiele gegeneinander. LAN-Partys, die beispielsweise von speziellen Vereinen veranstaltet werden, bieten für viele Jugendliche einen doppelten Nutzen: zum Spielvergnügen kommt die Vermittlung von Know How im EDV-Bereich, insbesondere beim Anschluss von Netzwerken.
Kenntnisse fehlen den vier Beteiligten bei der Netzwerksession in Michaels Wohnung nicht: Sie studieren Informatik oder andere technische Fächer. Normalerweise erstellen sie an den PCs die Arbeiten für die Uni. Für die Sessions betreiben sie großen Aufwand. Immerhin müssen die Geräte zu Hause abgebaut und in Michaels Wohnung aufgebaut werden. Sie bleiben ein bis zwei Wochen in den Räumen stehen.Im Schlafzimmer sitzen Joachim und Siegfried. Vom Computerspielen ist noch nichts zu merken, denn die Spielprogramme auf den Geräten müssen alle erst upgedated werden, um im Netzwerk zu funktionieren. Der Hausherr Michael surft im Internet. Dieter lädt sich Bilder aus dem Netz herunter. Wurstsemmeln werden verdrückt, bis alle dieselbe Version von „Counterstrike“ haben.
Dieses Spiel ist – wie viele andere – keineswegs unumstritten. Es ist darauf ausgelegt, dass zwei Teams gegeneinander antreten. Ziel ist es, die jeweils andere Gruppe zu vernichten. Das Spielziel ist also nur durch Gewalt zu erreichen. In Deutschland ist das Spiel nicht verboten, obwohl es in Verbindung mit dem 19-jährige Amokläufer aus Erfurt gebracht wurde.
Die Medienwirkungsforschung kann – wie schon bei entsprechenden Filmen – keine klaren Aussagen über Gewaltbereitschaft in Folge von Computerspielen zu machen. „Die Thesen sind widersprüchlich“, so Mag. Christian Brauner, im Landesjugendreferat OÖ für Computerspiele zuständig. „Counterstrike„ befindet sich aber natürlich nicht auf seiner Empfehlungsliste.
Michael und seine drei Gäste scheint das nicht zu stören. Die erste Runde „Counterstrike“ läuft. Mit Kopfhörern sitzen sie gebannt vor ihren Schirmen.Die Animation wirkt real. Sie hämmern in die Tastaturen. Wohnzimmer versus Schlafzimmer.Dabei sind die vier keine Militärfanatiker. Kritik an der Vorgehensweise der Amerikaner im Irakkonflikt tauscht in den Gesprächen auf. Zwei von ihnen haben Zivildienst geleistet, Michael ist Fahrer beim Roten Kreuz. Auch das Bild vom skurilen Computerfreak, der sich aus der realen Welt absondert, trifft auf keinen hier zu. Die Jungs haben auch andere Interessen.
Sehr gemütlich sieht es in der kleinen Wohnung mit den herumliegenden Kabeln aber nicht aus. Die Spieler sind versunken in den virtuellen Raum. Dieter hat Siegfried getroffen. Bis zum Ende der Runde verfolgt dieser den Fortgang des Spieles zurückgelehnt am Computerschirm. Er ist „tot“. Dass solche Kampfspiele gefährlich seien, wollen die Vier nicht gelten lassen. Was sie fasziniert, betonen sie, sei die Spannung, sei die Überraschung und die realistische Gestaltung der Animation.
Das dürfte auch für die vielen Besucher der LAN-Partys gelten. In Oberösterreich werden LAN-Party-Veranstalter nur unterstützt, wenn gewaltfreie Spiele gespielt werden. Zumindest dürfen Jugendliche unter 18 keinen Zugang zu Spielen wie „Counterstrike“ haben. Für private Veranstaltungen gibt es aber keine Lenkungsmöglichkeiten.Mittlerweile ist Mitternacht lange vorbei. An ein Ende der Netzwerksession ist noch nicht zu denken. Auch in den folgenden Tagen werden die Kabel liegen bleiben, um wieder gegeneinander anzutreten: Schlafzimmer gegen Wohnzimmer.

Die Empfehlungsliste ist beim Landesjugendservice (Tel. 0732/17 99) kostenlos erhältlich.
Alle Namen der Mitspieler sind verändert.