„Wir haben äußerst ernste Sorgen, dass die Sonntagsruhe ausgehöhlt werden könnte.“ Das betonte Sozialbischof Maximilian Aichern zum geplanten Ladenöffnungsgesetz.
In ungewöhnlich scharfer Form hat die Österreichische Bischofskonferenz den von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein zur Begutachtung ausgesandten Entwurf zum neuen Öffnungszeitengesetz kritisiert. Sollte das Gesetz in der jetzt vorliegenden Form beschlossen werden, sieht die Bischofskonferenz darin einen Bruch des Konkordates. In dem zwischen der Republik Österreich und dem Vatikan geschlossenen Vertrag ist ausdrücklich bestimmt, dass die anerkannten Feiertage als Ruhetage zu gelten haben. Mit dem vorliegenden Entwurf werde „gravierend in die Sonn- und Feiertagsruhe eingegriffen“, heißt es in der offiziellen Stellungnahme des Sekretariates der Bischofskonferenz zum Begutachtungsverfahren.
Von Regierung getäuscht
„Sozialbischof“ Maximilian Aichern spricht von einer „sehr ernsten, besorgniserregenden Situation“. Er fühle sich getäuscht: „Während im Regierungsprogramm noch drinnen steht, dass die Sonntagsruhe nicht angetastet werden soll, liegt jetzt ein Gesetzesentwurf auf dem Tisch, der für die 300.000 Handelsangestellten die Sonntags- und Feiertagsarbeit durch die Hintertür einführen könnte“, betont Aichern. Die am Dienstag der Karwoche vom Wirtschaftsministerium auf die Kritik der Kirche und der „Allianz für den freien Sonntag“ ausgesandte Erklärung, dass das geplante Öffnungszeitengesetz an „den bestehenden Möglichkeiten für die Sonntagsöffnung nichts ändere“, lässt Aichern nicht gelten. So wie der Koordinator der Sonntagsallianz, Markus Glatz- Schmallegger, sieht auch er darin einen Beschwichtigungsversuch, der den ernsten Einwänden nicht gerecht werde.
Steine des Anstoßes
Drei Punkte im geplanten Öffnungszeitengesetz bilden den Stein des Anstoßes:
- Die Ermächtigung der Landeshauptleute, bei „besonderem regionalen Bedarf“ das Offenhalten der Geschäfte an Sonn- und Feiertagen freizugeben. Während bisher Ausnahmen von der Sonntagsruhe auf genau bestimmte Anlassfälle und Regionen eingegrenzt waren, liegt es nach dem neuen Gesetzesentwurf allein beim Landeshauptmann, den „besonderen regionalen Bedarf“ festzustellen. Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretungen haben lediglich ein Anhörungsrecht.
- Die Schwächung des Arbeitnehmer/-innen-Schutzes. Bisher waren die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen und die Öffnungszeiten in getrennten Gesetzen verankert. Das bedeutete, dass die Genehmigung, Läden an Sonn- oder Feiertagen zu öffnen, nicht automatisch hieß, dass auch die Angestellten arbeiten müssen. So etwa gab es Regelungen, dass zwar an manchen Sonn- oder Feiertagen geöffnet werden konnte, verkaufen aber durften nur die Ladeninhaber/-innen und nächste Verwandte. Durch die geplante Einbeziehung von Arbeitsruhebestimmungen in das Öffnungszeitengesetz kann der Landeshauptmann anordnen, dass die Beschäftigung von Arbeitnehmern/-innen während der Sonn- und Feiertage zugelassen wird.
- Ausweitung bei den Tankstellen-, Bahnhofs- und Flughafenshops. Bisher durften diese nur Reiseproviant verkaufen; mit dem geplanten Gesetz können sie alle Lebensmittel führen. Die vorgesehen Beschränkung der Verkaufsfläche auf 80 Quadratmeter wird von Experten als rechtlich wackelig betrachtet. Hebt sie der Verfassungsgerichtshof auf, ist unbeschränkter Sonntagsverkauf möglich. Das dürfte auch der Hintergrund sein, warum große Lebensmittelketten bereits zum Ankauf zahlreicher Tankstellenshops rüsten. Kritisiert wurde von der Bischofskonferenz auch die Ausweitung der Öffnungszeiten an Werk- (21 Uhr) und Samstagen (19 Uhr) sowie am Hl. Abend und zu Silvester. Das sei familienfeindlich.
Lebensqualität
Zur Sache
Mit ihrer Stellungnahme zum Entwurf eines neuen Öffnungszeitengesetzes haben die österreichischen Bischöfe auch ihr Hirtenwort zu „Sonntag und Feiertage in Österreich“ mitgeschickt. Bei seiner Veröffentlichung im vergangenen Jahr meinte Bischof Maximilian Aichern: Der jüdische Sabbat und der christliche Sonntag seien nicht nur religiös von zentraler Bedeutung, durch das mit ihnen verbundene Arbeitsruhegebot seien sie auch das älteste Sozialgesetz der Welt.
In ihrem Hirtenwort gehen die Bischöfe sowohl auf die religiöse Bedeutung des Sonntags (Feier des Todes und der Auferstehung Christi in der Eucharistie) als auch auf seinen gesellschaftlichen Stellenwert ein. Sie betonen, dass der Sonntag als gemeinsamer Ruhetag maßgeblich zur Qualität des menschlichen Zusammenlebens beitrage. Er dient der Festigung des gesellschaftlichen Zusammenhalts in der Familie, in der Nachbarschaft, in den freien Vereinigungen und den verschiedenen Institutionen. Gerade in einer Gesellschaft mit zunehmender Individualisierung der Lebensentwürfe müssen Räume und Zeiten der „Wir-Erfahrung“ erhalten bleiben. Der Sonntag, so die Bischöfe, sei ein Signal dafür, dass sich menschenwürdiges Leben nicht in Arbeit und Erwerb von materiellen Gütern erschöpfe. In einer stark von wirtschaftlichen Interessen geprägten Gesellschaft sei es wichtig, dass „Werte jenseits von Angebot und Nachfrage“ bewusst erfahren und bejaht werden. Das wirke sich auch positiv für die Wirtschaft aus, weil Menschen, die aus einen geglückten sozialen Zusammenhalt kommen und Werte bejahen, auch leistungsbereit und verantwortungsbewusst seien.