Eine Liebe mit schwieriger Vergangenheit und hoffnungsloser Zukunft
Ausgabe: 2003/30, Ehepaar, Bibel, Saul, David, Israel
22.07.2003 - Kirchenzeitung der Diözese Linz
Michal liebte David. Ihre Liebe aber überlebte die politische Willkür ihres Vaters Saul und ihres Ehemannes David nicht.
David ist eine der bekanntesten Figuren der Bibel. Viel weniger bekannt ist seine erste Frau Michal. Sie war die zweite Tochter des Königs Saul und sie wurde eher zufällig die Frau des einfachen David. David kommt an das Königshaus als junger Hirte, um den König immer dann, wenn er depressiv und gewalttätig wird, mit Zitherspiel aufzumuntern. Er wird zum Waffenträger des Königs, und nach einigen Schlachten erkennt Saul: Gott ist mit David, nicht mehr mit ihm.
Die Pläne ihres Vaters
Saul beginnt sich vor David zu fürchten. Deshalb schickt er ihn in den Krieg gegen die Philister und verspricht ihm seine Tochter Merab. Aber Merab wird anderweitig verheiratet. Sauls zweite Tochter Michal hat sich inzwischen in David verliebt und Saul verspricht sie ihm in der Hoffnung, dass sie ihm zum Verhängnis wird. Die Diener tragen David zu, dass der König „keine Lust nach einem Brautpreis“ habe, „sondern nach hundert Philistervorhäuten“. Dieser ungewöhnliche Brautpreis stellt für David kein Problem dar. Er zieht in den Krieg, erschlägt 200 Philister und bringt die doppelte Anzahl der Philistervorhäute.
Sauls und Davids Willkür
David erhält Michal zur Frau. Sie liebt ihn und warnt ihn vor ihrem Vater, der beschlossen hat, David töten zu lassen. Schließlich verhilft sie ihm zur Flucht und wird so ihrem Vater zum Verhängnis (1 Samuel 19, 11–17). Saul gibt Michal einem anderen Mann zur Frau, dem Palti. David und seine Männer werden zu herumziehenden Freischärlern, die jedoch das Leben des Königs schonen. Als Saul stirbt, fordert David während der Friedensverhandlungen von dessen Sohn Ischbaal sein Recht: „Gib Michal, mein Weib, heraus, die ich mir um hundert Philistervorhäute freite.“ Er bekommt Recht, auch wenn ihre neue Ehe damit zerstört wird. „Ihr Mann ging mit ihr, im Gehen weinend, hinter ihr her, bis Bachurim.“ (2 Samuel 3, 14–16) Vermutlich war dieser Palti der einzige, der Michal geliebt hat.
Das Bittere ihres Lebens
David wird König. Er will sein Königreich aufbauen und möchte dazu die Lade Gottes in seiner Mitte haben. Die Bundeslade wird auf einen Wagen gehoben und in einem feierlichen Zug geht es nach Jerusalem. Auf diesem Weg geschieht ein Unglück. Ein Mann kommt, als er die Lade zufällig berührt, zu Tode. Daher wird sie drei Monate lang bei Obed-Edom abgestellt, so lange, bis David Klarheit darüber hat, dass die Lade wirklich in die Davidsstadt gehört. Denn dort, wo sie steht, bringt sie Segen. Es wird wieder ein feierlicher Zug. David bringt Opfer dar, nach sechs Schritten ein Stier und ein Mastkalb. „David selbst drehte mit aller Kraft sich vor Ihm, David selbst, mit einem Linnenumschurz gegürtet“ (2 Samuel 6, 14f) oder, wie es auch übersetzt wird: „David schlug mit aller Kraft das Rad vor Gott, und David war nur mit dem leinenen Efod bekleidet“, ein, von zwei Spangen zusammengehaltenes kurzes Obergewand, das Teil der priesterlichen Gewänder ist. Der Anblick dieses Tanzens erfüllt Michal, die vom Palast aus zusieht, mit Verachtung. Sie empfindet das Verhalten ihres Mannes als beschämend und verspottet ihn. Später wird im Unterschied zu den umliegenden Völkern Nacktheit und Entblößung im Kult in Israel als erniedrigend empfunden und durch strenge Vorschriften verboten. David verteidigt jedoch sein leidenschaftliches Tanzen als sich Erniedrigen vor Gott. Die Geschichte von Michal und David endet mit einem traurigen Hinweis: „Der Michal aber, Sauls Tochter, ihr ward kein Kind bis zum Tag ihres Tods.“ Die Liebe Michals hat die politische Willkür ihres Vaters Saul und ihres Ehemannes David nicht überdauert.