Biblische Motive gehören zu den ältesten und beliebtesten Themen, die verfilmt wurden. Oft ergaben sich daraus heftige Diskussionen. An die zweihundert Mal war Jesus Christus der Hauptdarsteller.
Die ersten filmischen Bearbeitungen bieten nur Episoden aus dem Leben Jesu, da die Dauer der Filme oft nur wenige Minuten beträgt. „Das Leben und die Passion Jesu Christi“, 1897 von den Pionieren der bewegten Bilder, den Gebrüdern Lumière, gedreht, konzentriert sich aber schon auf jene Stationen, die zum „klassischen Inhalt“ der Jesusfilme gehören. Der Bogen spannt sich von der Anbetung der Könige über die Flucht nach Ägypten, von der Ankunft in Jerusalem bis zur Kreuzigung, Grablegung und Auferstehung. Der Film wurde im böhmischen Dorf Horitz beim alljährlichen Passionsspiel aufgenommen und bemüht sich um eine möglichst authentische Wiedergabe.
Jesus und die Schaulust
Dem „Realismus“ der Lumière-Brüder hält deren Konkurrent George Méliès 1900 mit „Christus auf den Wellen schreitend“ das Spektakel entgegen. Mit Hilfe von filmischen Tricks (Doppelbelichtungen) erreicht er, dass man Jesus über das Wasser wandeln sieht – der Bibelfilm als effektvolle Ausstellung technischer Effekte, das ist die zweite einflussreiche Variante des Jesusfilms. Um 1900 wird das Leben Jesu überhaupt zum Kassenfüller. Die Kirche erkannte schnell die Werbekraft des neuen Mediums und meldete Urheberrechte auf die Darstellungsweise der Christusfigur an, was häufig zu Konflikten mit Filmproduzenten führte. Eine Folge dieses kirchlichen Einspruchs war, dass man es lange Zeit vermied, das Gesicht des Heilands zu zeigen. In der ersten Verfilmung von „Ben Hur“ aus dem Jahr 1926 von Fred Niblo ist Jesus beispielsweise nie ganz zu sehen, er wird nur durch seine Hände repräsentiert.Ab 1920 werden die Filme kostenintensiver. Mit großem Aufwand versucht man eine filmische Umsetzung der ganzen Geschichte des Lebens Jesu. Der Ton der 30er Jahre bringt schließlich eine Intensivierung der Realitätsnähe mit sich, die Kreuzigungsszenen werden ausführlicher, damit der Zuschauer das ganze Leid besser miterleben kann.
Jesus in Breitformat
Dieser Tendenz versucht man auf kirchlicher Seite Einhalt zu gebieten. Auf der so genannten „Schwalbacher Konferenz“ wird 1950 eine deutliche Zurückhaltung in der Darstellung Christi gefordert. Die Produzenten der US-amerikanischen Monumentalfilme der 50er und frühen 60er Jahre, die als Höhepunkte der „klassischen Jesusfilme“ gelten, scheinen davon allerdings nicht viel zu halten. Es ist auch kein Zufall, dass der erste Breitwandfilm im Cinemascope-Format 1953 eine Bibelgeschichte präsentiert. „Das Gewand“ von Henry Koster beschreibt die legendenhaften Geschehnisse um das Gewand Christi nach der Kreuzigung mit imposanten Massenszenen und Spezialeffekten. Hollywood nützt die biblischen Stoffe in dieser Zeit dafür, seine filmtechnische Überlegenheit zu demonstrieren. In episch breiter Darstellung (die Länge der Filme beträgt nicht selten über drei Stunden) soll die Schaulust des Publikums befriedigt werden. Das Jesus-Bild, das in Filmen wie „König der Könige“ (1960, Nicholas Ray) und in „Die größte Geschichte aller Zeiten“ (1963, George Stevens) entworfen wird, entspricht einer naiven Frömmigkeit. Im Vordergrund steht der sympathische Mensch, der stets friedfertig bleibt, ein bequemer Heiland, der sich in der Rolle des Dulders gefällt.
Jesus als Popidol
In den 70er Jahren wird vom Jesusfilm als Monumentalwerk Abstand genommen. Die Frage nach der Übertragbarkeit biblischer Inhalte wird mehr und mehr bezweifelt, die ersten kontroversen Spielfilme, die sich kritisch mit der Jesusfigur auseinander setzen, entstehen (mehr davon im zweiten Teil unserer Reihe). Oft werden jetzt nur einzelne religiöse Motive verarbeitet. Es geht sehr oft um – durchaus umstrittene – Neuinterpretationen der Gestalt Jesu. Hollywood setzt nach dem Monumentalfilm auf das Musical. Unter dem Einfluss der Hippie-Bewegung und der Jugendkultur (z. B. die Jesus-People-Vereinigung) entdeckte die USA Jesus als neue Hoffnungsgestalt, eine wahre Jesus-Renaissance wird durch Filme wie „Jesus Christ Superstar“ (1972, Norman Jewison) und „Godspell“ (1973, David Greene) hervorgerufen.
Jesus als Jude
In Europa schlägt man wieder einmal einen anderen Weg ein und setzt dem Spektakel eine karge Rekonstruktion der vier Evangelien entgegen: „Der Messias“ (1975) von Roberto Rossellini zeigt die Jesusgestalt ganz in den jüdischen Alltag hineingestellt auf völlig unpathetische dokumentarische Weise. In den 90er Jahren erfährt dieser gegensätzliche Trend eine Fortsetzung. Auf der einen Seite gibt es zahlreiche Filme, die sich möglichst präzise an die neutestamentarische Vorlage halten, auf der anderen Seite begegnet man immer wieder provokanten Auseinandersetzungen mit der Figur Jesu. Eines ist jedoch sicher: Die größte Geschichte aller Zeiten wird immer wieder neu erzählt werden, solange die Bilder laufen.