Ob in Ecuador, Indonesien oder auf Papua Neuguinea: überall, wo die Bibel Wurzeln schlägt, versuchen Menschen den Glauben so auszudrücken, dass es ihrer Kultur entspricht.
Früher hatten Indios im Hochland von Ecuador einen Jesus mit weißem Gesicht, blonden Haaren und Vollbart. Indios aber tragen keine Bärte. Also blieb Jesus ein Fremder. Bis im Rahmen eines Bibelkurses am „Institut für Indianerpastoral“ in Quito ein Bild entstand mit dem Titel: „Der Christus von Atocha“. Es ist das Zeugnis eines tiefen Gespräches darüber, wer Christus für die Indígenas ist und wie er ihre Welt erlöst.
Der Christus aus den Anden hat ein sonnengegerbtes Gesicht wie die Indios, und natürlich keinen Bart. Er trägt einen Poncho, und in seinen Händen hält er ein paar Maiskolben, die Hauptnahrung der Indígenas. Eine Federkrone ziert sein Haupt: Symbol der Ureinwohner Amazoniens und Zeichen der Weisheit. Sonnenstrahlen umgeben den Christus von Atocha: Für die Urvölker Lateinamerikas verweist die Sonne seit jeher auf Gott, den Spender und Erhalter allen Lebens. „Ich bin das Licht der Welt“, sagt Christus im Johannesevangelium – die Teilnehmer des Bibelkurses haben diese Botschaft eindrucksvoll ins Bild gesetzt.
Mitten unter uns
Das Wort ist Bild geworden: In allen Ländern, in denen die Frohbotschaft Wurzeln schlagen konnte, suchen Christen nach Ausdrucksformen des Glaubens, die ihrer Kultur gerecht werden. In ihren Weihnachtskrippen legen sie den Sohn Gottes in eine Hängematte, stellen ihn dar als Lehrer unter einem Bodhi-Baum, der in Indien als heilig gilt, oder als kraftvollen Befreier, der das Elend seines Volkes sieht und den Unterdrückten die Fesseln löst. So wird Christus, wie er es verheißen hat, einer „mitten unter uns“ – auf allen Kontinenten.
„Ich tue nichts anderes als den Glauben zu verkünden in einer Form, mit der die Leute hier auf Java etwas anfangen können“, erklärt Robert Soedadi. Der Katechist aus Indonesien bringt die Passion Jesu nahe, und das mit einer uralten Kunstform des Schattentheaters. Dutzende Lederpuppen hat er in mühevoller Handarbeit aus Büffelleder gearbeitet: Hohepriester und Schriftgelehrte, die weinenden Frauen, Jesus und seine Jünger.
Soedadis Aufführungen ziehen tausende Zuschauer an. Für sie ist das Schattenspiel weit mehr als Theater: Die Schatten bringen nach indonesischem Verständnis das Göttliche in das Leben der Menschen. Wenn Robert Soedadi zum Klang von Gongs seine Puppen bewegt, wird die Geschichte Jesu nicht bloß nachgespielt – sie wird mystische Gegenwart.
Gottes Wesen darstellen
Einen ebenso außergewöhnlichen Zugang zur Heilsgeschichte bietet Lucy D´Souza: In den Bildern der indischen Künstlerin begegnen uns die in der Bibel bezeugten Wesenszüge Gottes in Form von Frauengestalten. So etwa malt sie die Menschenfreundlichkeit in Gestalt einer Mutter, die ihr Kind an der Brust nährt. „Vergisst eine Frau ihren Säugling, eine Mutter den Sohn ihres Schoßes?“, heißt es im Buch des Propheten Jesaja.
Mit Hanna, der Mutter des Propheten Samuel, setzt die Inderin Gottes leuchtende Gegenwart in Szene: Strahlend und voller Kraft singt Hanna von den großen Taten des Allmächtigen, ganz in Gelb gekleidet – in Indien ist das die Farbe derer, die ihr Leben Gott geweiht haben.
Glaube ins Bild gesetzt
Wie schon der „Christus von Atocha“ zeigt, müssen es nicht ausgewiesene Künstler sein: Den Glauben ins Bild setzen, das kann jede/r. Kinder tun sich dabei oft leichter als Erwachsene und bringen Werke von erstaunlichem Ausdruck zu Stande. Wie die Schülerinnen und Schüler von Pompabus im Hochland von Papua Neuguinea. Ihre Werke schmücken die Pfarrkirche: die wunderbare Brotvermehrung oder Zachäus im Laplap, dem traditionellen Grasschurz der Papuas. Und es gibt ein Monumentalbild des Jüngsten Gerichts – kein Michelangelo, aber sehenswert! Wolfgang Engelmaier