So viele Menschen wie nie zuvor sind am Samstag nach Mariazell gekommen. Und sie haben sich weder vom Regen noch von der Kälte davon abhalten lassen, ein Fest des Glaubens zu feiern.
Der regnerische Empfang konnte ihr die Freude nicht vermiesen, endlich in Mariazell zu sein. „Früher wollten die Kommunisten uns mit allen Mitteln daran hindern, zur Gottesmutter von Levoca zu pilgern. Wir sind trotzdem gegangen“, erzählt die Slowakin. Lapidar fügt sie hinzu: „Da lassen wir uns von ein paar Regentropfen auch nicht abhalten.“ In den nächsten Stunden werden es mehr als 20.000 sein, die alleine aus der Slowakei zum Mitteleuropäischen Katholikentag kommen. „Neben Österreich sind wir die stärkste Gruppe“, freut sich Marian Gavenda, Sprecher der slowakischen Bischofskonferenz.Bereits zum Morgengebet um 6.30 Uhr scheint die Basilika aus allen Nähten zu platzen. Und selbst die den Anblick von Wallfahrern gewohnten Bewohner können es kaum glauben: „Wie eine Völkerwanderung“, sagt Ernst Kerschbaumer. Doch der Pilgerstrom, der vor seinem Haus vorbeiführt, reißt nicht ab – und so bleibt es den ganzen Tag über.Es ist acht Uhr, als die Statue der Muttergottes von Mariazell aus der Basilika getragen wird. In einem eigens für diesen Tag gefertigten Kleid, geziert mit den Wappen von Bosnien-Herzegowina, Kroatien, von Österreich, Polen, Slowenien, der Slowakei, von Ungarn und Tschechien, wird ihr Wagen von Pferden gezogen. Die drei Kilometer hinaus zum Festgelände werden zur feierlichen Prozession tausender Gläubiger.
Europa bauen
Ihr Ziel ist die Großbaustelle. An zwei Kränen, als Hinweis auf den Bauplatz Europa, hängt das Dach über dem Altar. Doch selbst den 150 Bischöfen, die darunter Platz nehmen, bietet es kaum Schutz vor Regen und Kälte.Ein typisches Geräusch begleitet Gesänge und Gebete: das Prasseln der Tropfen auf dem Regenumhang – an die 100.000 Menschen stehen, wie in liturgische Kleider gehüllt, vor dem Altar.Viele von ihnen harren schon seit Stunden aus, als Kardinal Schönborn seine Predigt beginnt. Er eröffnet mit der Feststellung, dass Wallfahren immer mit Opfern verbunden sei. So könne auch die Vision vom „versöhnten Europa der Vielfalt, ohne Vorurteile, Misstrauen und Schuldzuweisungen“, für die er plädierte, nicht ganz ohne Opfer erreicht werden. Nie zuvor, so Schönborn, seien so viele in Mariazell versammelt gewesen zum Gebet um Frieden für Europa, das unter „furchtbaren Schmerzen getrennt wurde – und unter so vielen Hoffnungen, aber auch Zweifeln und Ängsten allmählich zusammenwächst“. Er rief auf zum Gebet um die „Kraft von oben“, um auch die 15 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bestehenden Mauern noch zu überspringen. Es fällt kein Wort vom katastrophalen Wetter. Vielmehr sei es eine Katastrophe, würde Europa auf das Christentum vergessen. Wie Christen einst halfen, „diesen Kontinent zu einem Ort der Menschlichkeit und Schönheit, der Solidarität und der Herzlichkeit zu machen“, so gebe es auch heute „die verborgenen Heiligen unserer Tage“, die die „Träger der Hoffnung für Europa sind“. Gefragt nach seinem Eindruck, meint der Kardinal: „Ich habe gebetet um einen heftigen Regen der Gnade. Der hat uns sicher nicht gefehlt. Ich bin beeindruckt von der positiven Einstellung der Pilger, für die es sicher nicht bequem war. Aber damit haben sie unterstrichen, dass es ihnen ein Anliegen ist.“