„Es fällt auch der Kirche nicht leicht, den rechten Weg zwischen dem unbedingt notwendigen Schutz für Ehe und Familie einerseits und der ebenso notwendigen Barmherzigkeit mit dem menschlichen Scheitern andererseits zu finden.“ Mit diesem Bekenntnis ließ Kardinal Dr. Christoph Schönborn beim Begräbnisgottesdienst für den verstorbenen Bundespräsidenten Dr. Thomas Klestil am Samstag, 10. Juli, im Wiener Stephansdom aufhorchen. Klestil war in zweiter Ehe standesamtlich verheiratet.
„Vielleicht ist dein Tod ... Anlass, uns alle gemeinsam mehr um beides zu bemühen“, meinte Schönborn. Ganz im Sinne dieses Anliegens bildet die Diözese Linz Seelsorger für die Geschiedenen-Pastoral aus. „Leben mit Brüchen“ heißt ein neuer Kurs, der im September startet. „Der Weg der Seelsorge mit Geschiedenen setzt beim seelsorglichen Gespräch an“, betont Mag. Rolf Sauer. Dabei können auch die Umstände geklärt werden, unter denen eine Teilnahme an den Sakramenten möglich ist.
Ein Dank zum Abschied
Kardinal Schönborn würdigt den Brückenbauer und Versöhner Klestil.Er hat beim Trauerakt der Republik Thomals Klestil als Mann des Ausgleichs, als Brückenbauer und als Mitchristen und lieben Freund angesprochen.
„Mitten im Leben sind wir vom Tod umgeben.“ Diese Worte eines uralten christlichen Liedes sprechen eine Erfahrung an, die in diesen Tagen schmerzlich aktuell geworden ist. Wenige Stunden vor dem Ende seiner zweiten Amtszeit ist Thomas Klestil verstorben.
Für Europa gekämpft
Die christlichen Kirchen Österreichs trauern um einen Brückenbauer, dem aus jahrzehntelanger diplomatischer Tätigkeit der Blick über die Grenzen wohlvertraut war. Als Thomas Klestil vor zwölf Jahren angelobt wurde, war die „Wiedervereinigung“ Europas noch eine ferne Vision. Für deren Verwirklichung ist der Verstorbene mit der ganzen Autorität seines Amtes und mit größtem persönlichem Einsatz unermüdlich eingetreten. Stets ist sich der verstorbene Bundespräsident der Völker verbindenden, europäischen Aufgabe Österreichs bewusst gewesen. Er hat daher nicht nur den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union tatkräftitg unterstützt, sondern auch die Aufnahme der ehemals kommunistischen Nachbarländer. An dieser Stelle möchte ich ihm auch nochmals herzlich für seinen Einsatz danken, mit dem er die „Wallfahrt der Völker“ im von ihm so geliebten Mariazell gefördert hat.
Um Ausgleich gerungen
Die Kirchen unseres Landes trauern um einen Mann des Friedens und des Ausgleichs. Der verstorbene Herr Bundespräsident hat sein Amt zu Zeiten der weithin außer Frage stehenden Sozialpartnerschaft angetreten. Seither ist die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung in unserem Land, aber auch in ganz Europa, härter geworden. Alte Gräben sind dabei wieder zum Vorschein gekommen, neue Spannungen sind dazugekommen, bedingt etwa durch die Alterung des Kontinents, die verschärften Arbeitsmarktbedingungen, den steigenden Immigrationsdruck. In dieser veränderten Landschaft ist Thomas Klestil nicht müde geworden, vermittelnd und ausgleichend zu wirken, das soziale Augenmaß und die Verlässlichkeit der Politik einzumahnen, zur Gemeinsamkeit aufzurufen und in festgefahrenen Situationen seine Dienste anzubieten.
Dem Gemeinwohl gedient
Die Kirchen trauern um einen stets unverdrossenen Arbeiter am Gemeinwohl. Kompromisslos hat er diese Aufgabe trotz schwerer Erkrankungen bis zum Ende wahrgenommen. Sein Tod am letzten Tag seiner Amtsperiode hat symbolisches Gewicht. Thomas Klestil hört die vorbereiteten Würdigungen nun nicht mehr als unter uns Weilender. Das mag uns zum selbstkritischen Nachdenken anregen, ob wir mit solcher Anerkennung während seiner Amtszeit nicht zu sparsam gewesen sind. Braucht es denn immer erst Krankheit und Tod, dass wir einander etwas mehr Wohlwollen und Dankbarkeit zeigen? Und auch etwas mehr Barmherzigkeit?
Die Kirchen trauern auch um einen Mitchristen, der – fehlbar wie wir alle – doch mit ganzem Herzen fest daran glaubte, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Sein so unerwarteter Tod mahnt uns alle daran, dass wir „mitten im Leben vom Tod umgeben sind“. Sein fester Glaube gibt ihm und uns die Hoffnung, dass nun auch das Umgekehrte wahr ist: „Mitten im Tod sind wir vom Leben umgeben.“ Gott schenke dir, lieber Freund, das ewige Leben.
Zur Sache
In memoriam
„Österreich trauert, Österreich betet, Österreich dankt“. „Diese Worte, die Bundespräsident Klestil beim Begräbnis von Kardinal König gesprochen hat, gelten nun für ihn selber“, sagte der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser. Er würdigte Klestil als einen herzlichen und offenen Menschen, dem er in „salesianischer Verwandtschaft“ verbunden war. Er habe oft mit Klestil über dessen Jugendjahre gesprochen, die ganz stark vom väterlichen Freund P. Friedrich Debray und dem von ihm geleiteten Jugendclub „Wagenrad“ in der Don-Bosco-Pfarre Wien Erdberg geprägt waren. Von dorther ist Klestil nicht nur mit der Jazzlegende Joe Zawinul, sondern auch mit dem Salesianer und Wiener Weihbischof Ludwig Schwarz befreundet.
Schwarz sagte über Klestil, der wegen seiner Scheidung von manchen Kirchenkreisen „geschnitten“ wurde: „Thomas Klestil ist ein sehr gläubiger Katholik gewesen, ein Mensch, dem Gebet und tätige Nächstenliebe gleichermaßen ein Anliegen waren. Von Klestils tiefer, aber nicht zur Schau gestellten Gläubigkeit berichtete auch P. Karl Schauer. Der Superior von Mariazell war Klestil nicht nur über den Förderverein für die Basilika, sondern auch als Seelsorger tief verbunden.
Für Bischof Maximilian Aichern „liebte Klestil die Menschen und hatte ein offenes Ohr für ihre Anliegen.“ Soziale Fragen hätten ihn stets besonders interessiert. Die Einrichtungen der Caritas würdigte er durch viele Besuche.