Irgendwo schwingen sie im Hinterkopf noch mit, wenn wir das Wort Advent hören: die Abende in der Familie, wenn es draußen früh dunkel wird. Bloß ein wenig Romantik? Oder doch eine Sehnsucht mit hartem Kern?
Die in Familien gemeinsam verbrachte Zeit wird beständig weniger, sagen soziologische Studien. Diese Erfahrung betrifft natürlich auch, ja vielleicht besonders den Advent, der früher einmal eine Zeit war, in der man die Abende daheim und im Kreis der Familie verbrachte. Ohne zu wissen, wie romantisch oder auch unwirklich das heute klingt, saßen Alt und Jung singend und betend um den Adventkranz. Äpfel wurden gebraten, Strohsterne gebastelt und Laubsägearbeiten ausgeführt. Gesellschaftsspiele hatten Hochkonjunktur.
Wohlfühl-Erfahrungen. Mit dem dramatischen Geschehen der ausgesperrten Heiligen Familie von Betlehem haben solch adventliche Wohlfühl-Erfahrungen zugegebenermaßen wenig zu tun. Aber sind sie nicht doch Ausdruck jenes Wohlwollens und jener Menschenfreundlichkeit, die wir zu Weihnachten feiern? Gott selbst bedient sich keines anderen Mittels als der menschlichen Gestalt, um unter den Menschen zu leben.
Mensch-Werdung. Das Kind von Betlehem ist Jesus Christus, der seinen Zeitgenossen auf gleicher Augenhöhe begegnete, sie als Schwestern und Brüder betrachtete. Er feierte mit ihnen, betete und sang – so wie wir es im Advent taten oder vielleicht noch tun. Seit Gott Mensch wurde, ist der Mensch noch mehr aufgewertet. Aber hat sich dadurch die Menschlichkeit erhöht? Schauen die einen nicht mehr auf die anderen herab? Sitzen alle Menschen gleichberechtigt um den einen Tisch, der Erde heißt? Sind Jung und Alt im positiven Gespräch? Gehen Frauen und Männer geschwisterlich, partnerschaftlich, wertschätzend miteinander um? Verfestigte Strukturen des Unrechts warten auf Lösung, auf Er-Lösung. Mein kleines Leben reicht dazu nicht aus. Aber es reicht aus, den Menschen meiner Umgebung am adventlichen Tisch zu begegnen.
Lob der Bräuche. Vorweihnachtlich verbrachte Zeiten sind mehr als lebendige Traditionen. Angesichts voller Terminkalender verlangen sie die bewusste Entscheidung zugunsten der Familie und des Miteinanders. Doch lohnenswert ist es sicher, auch in der Zeit von rauschend-rauschigen Punschhütten, Geschenk-Kaufstress und Weihnachtsfeiern die kleinen, ganz einfachen Adventbräuche wieder bewusst zu pflegen: Feier der frühmorgendlichen Rorate. Wiederentdeckte Adventlieder, vielleicht begleitet vom lange nicht gespielten Instrument. Äpfel- oder Maronibraten mit Nachbarn. Beten um den Adventkranz. Basteln statt Fernsehen. Miteinander Reden statt Einkaufen. Leben statt gelebt werden.
Die gemeinsame Zeit gut nutzen
Zum Beispiel
Im September 2004 sind Brigitte Thalhammer, Erni Baumann und Leopoldine Reisinger ins „Personalstöckl“ des Linzer Priesterseminars eingezogen. Die drei Salvatorianerinnen bilden dort eine kleine geistliche Gemeinschaft. Als Pastoralassistentin, Lehrerin und Sekretärin haben sie recht unterschiedliche Lebensrhythmen. „Da geht es uns nicht anders als vielen Familien“, meint Sr. Brigitte. „Deshalb bemühen wir uns, die rare gemeinsame Zeit wirklich gut miteinander zu verbringen.“
Zum festen Ritual der kleinen Gemeinschaft gehört das gemeinsame Morgengebet. „Dabei ist uns besonders wichtig, dass wir als Antwort auf das Wort Gottes auch unser persönliches Leben und unsere Mitwelt zur Sprache bringen“, sagt Sr. Brigitte. Im Advent schwingt dieses Beten noch ins gemeinsame Frühstück hinein, indem z. B. ein Text aus dem Frauen-Adventkalender gelesen wird. Jeden Freitag besuchen die Schwestern die Rorate in der Dompfarre und bereiten das anschließende Frühstück vor. „In diesen Wochen sind uns aber auch persönliche Zeiten der Stille und des Einstimmens in eine Haltung der Erwartung wichtig. Weihnachten selbst versuchen wir schön, gut vorbereitet, aber einfach zu feiern, damit uns der ,Feiertagsdämon‘ Stress nicht erwischt. Wir nehmen uns Zeit für ein längeres Gebet und Zeit für einander“, erzählt Sr. Brigitte.