Mit der kulturellen und damit auch religiösen Vielfalt in Österreich beschäftigt sich in der Bundesregierung Staatssekretärin Muna Duzdar. Da trifft es sich gut, dass sie auch für das Kultusamt, die „Schnittstelle“ zwischen Staat und Religionsgemeinschaften, zuständig ist. Warum sie Religionsunterricht an öffentlichen Schulen für gut hält und wie man mit Zuwanderungsängsten umgehen kann, sagt sie im Gespräch.
Ausgabe: 2016/36
13.09.2016
- Heinz Niederleitner
Die Schule hat wieder begonnen: Seit Jahren wird über den Ethikunterricht für jene diskutiert, die nicht am konfessionellen Religionsunterricht teilnehmen. Welche Position nehmen Sie ein?
Muna Duzdar: Das Thema betrifft zwar das Bildungsministerium. Ich bin aber für jede Diskussion offen. Einem Ethikunterricht kann ich aber grundsätzlich viel Positives abgewinnen. Grundsätzlich finde ich es gut, dass wir konfessionellen Religionsunterricht im öffentlichen Schulsystem haben. Denn in anderen Ländern führt es zu Problemen, wenn Religionsunterricht in „Hinterzimmern“ durchgeführt wird.
Sie sind auch für Kultusangelegenheiten zuständig und haben sich seit Ihrem Amtsantritt mit Vertretern mehrerer Religionsgemeinschaften getroffen. Wie ist Ihr Eindruck?
Duzdar: Der Staat braucht ein partnerschaftliches Verhältnis mit den Religionsgemeinschaften. Wenn wir neuen Entwicklungen gegenüberstehen, sind sie wichtige Bündnispartner. Denken wir an die Rolle der kirchlichen Organisationen bei der Unterstützung der Flüchtlinge. Es geht mir da um den sozialen Zusammenhalt im Land. Er soll keine Floskel bleiben. Ich hatte ein gutes Gespräch mit Kardinal Schönborn. Persönlich bin ich auch begeistert von vielem, was Papst Franziskus zu sozialen Belangen oder zum Thema Barmherzigkeit sagt.
Ist die Beobachtung richtig, dass der gesellschaftliche Rechtfertigungsdruck für Religionsgemeinschaften steigt – Stichwort Diskussion um Theologie an staatlichen Unis oder das Volksbegehren gegen angebliche „Kirchenprivilegien“?
Duzdar: Ich sehe das eher so: Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir es mit verschiedenen Religionen zu tun haben. Das stellt uns vor neue Fragen, etwa ob auch die Theologie anderer Religionen an den Unis behandelt werden soll.
Aktuell wird darüber diskutiert, ob die Vollverschleierung (Burka, Niqab) von Frauen verboten werden soll. Was meinen Sie?
Duzdar: Ich mache kein Hehl daraus, dass ich persönlich gegen eine Vollverschleierung bin, sage aber auch: Gesellschaftlichen Fortschritt kann man nicht mit Verboten erzielen. Ich glaube, dass in einer demokratischen Gesellschaft der Ansatz eine Kultur des Redens und der Aufklärungsarbeit sein muss. Deshalb ist mir die Frauenförderung in der Integration sehr wichtig.
In Deutschland taucht immer wieder die Diskussion über eine „Leitkultur“ auf, die man Zuwanderern vermitteln soll. Was sollte man ihnen Ihrer Meinung nach nahebringen?
Duzdar: Demokratie, Rechtsstaat und die Menschenrechte sind das Fundament unseres Staates und Ergebnis des zivilisatorischen Fortschritts. Auf dieser Grundlage müssen wir uns bewegen.
Wie wir mit manchen Grundrechten umgehen, steht zum Teil aber erst jetzt auf dem Prüfstand, da Österreich gesellschaftlich bunter wird. Die Frage zum Beispiel, ob Muslime Moscheen mit Minaretten errichten dürfen, war früher eher theoretisch.
Duzdar: Da wird von bestimmten politischen Gruppen die Stimmung aufgeschaukelt. Wir brauchen aber eine Politik des Miteinanders, nicht des Gegeneinanders. Das heißt nicht, dass es keine kulturellen Unterschiede gibt. Aber solange sich Vielfalt in den rechtsstaatlichen und demokratischen Rahmenbedingungen abspielt, ist das kein Problem.
Dennoch macht die Verbuntung der Gesellschaft offenbar vielen Menschen Angst ...
Duzdar: Man sollte die Ängste auch ernst nehmen. Reden wir über Zuwanderung und darüber, dass sich unsere Gesellschaft verändert hat! Kulturelle Vielfalt gab es schon im Vielvölkerstaat der Habsburgermonarchie. Sie wurde durch die Feindschaft gegenüber bestimmten Gruppen, durch Antisemitismus und durch den Nationalsozialismus zunichte gemacht. In Österreich gab es dann lange eine homogene Bevölkerungsstruktur, wenn man einmal von den Gastarbeitern absieht. Jetzt hat sich die Gesellschaft gewandelt. Wir brauchen eine offene Diskussion darüber: Was passiert, wenn sich die Bevölkerungsstruktur einer Ortschaft oder eines Gemeindebaus verändert? Wenn die vernünftigen Kräfte das nicht ansprechen, dann werden sich das die Populisten zunutze machen. Ich glaube übrigens auch, dass das mit Zukunftsängsten zu tun hat. Ich habe gelesen, ungefähr die Hälfte der Bevölkerung sei der Meinung, dass ihre Kinder nicht mehr das Auslangen mit dem Einkommen haben werden. Die soziale Frage gerät bei der Diskussion über Migration stark in den Hintergrund.
Ist dann die Notverordnung im Asylwesen, die jetzt beschlossen werden soll, nicht eher eine „Beruhigungspille“? Immerhin werden wir die Obergrenze von 37.500 Asylwerbern heuer vermutlich nicht erreichen.
Duzdar: Das ist jetzt in einem seriösen Begutachtungsverfahren. Menschenrechts- und Hilfsorganisationen haben die Möglichkeit, ihre Meinung dazu zu äußern.
Bei Ihrem Amtsantritt wurde medial stark betont, dass Sie die erste Muslimin in der Regierung sind. Hat Sie das geärgert?
Duzdar: Nein. Das war halt etwas Neues und es gab eine erhöhte Aufmerksamkeit.
Zur Person
Seit 18. Mai 2016 ist Mag. Muna Duzdar (SPÖ) Staatssekretärin für Diversität, Öffentlichen Dienst und Digitalisierung. Sie ist auch für das Kultusamt zuständig. Die gebürtige Wienerin ist Tochter palästinensischer Eltern, Rechtsanwältin und hat ein Masterstudium Internationales Recht – Recht der arabischen Länder in Paris absolviert. Ihren persönlichen religiösen Hintergrund sieht sie vor allem durch ihre Familie gegeben.