Nachdem Johannes Neuhauser im Frühjahr 2016 das Tagebuch der niederländischen Jüdin Etty Hillesum in einer szenischen Lesung auf die Bühne gebracht hat, nimmt er sich nun ihrer Briefe an: „Ettys Entscheidung“ ist in der Tribüne Linz zu sehen.
Mit 29 Jahren wurde die Jüdin Etty Hillesum (1914–1943) in Auschwitz ermordet. Die Erfahrungen, Widerfahrnisse und Begegnungen, die sie in den letzten beiden Jahren vor ihrem Tod dem Tagebuch anvertraut hat, sind ein einzigartiges Zeugnis der Gottsuche. Das Tagebuch zählt mittlerweile zu den Klassikern der Spiritualität. Der Linzer Psychotherapeut und Regisseur Johannes Neuhauser hat aus den Texten des Tagebuchs eine szenische Lesung gestaltet, die in Linz mit großem Erfolg aufgeführt wurde. Das Publikum war beeindruckt, ganz besonders Klaas Smelik aus Amsterdam. Seiner Familie vermachte Etty Hillesum ihr Tagebuch. Smelik übergab Neuhauser als Zeichen des Danks die Briefe Etty Hillesums. Diese sind noch nicht in Deutsch veröffentlicht. Die Briefe beschreiben, was Etty im Lager Westerbork – in ihren letzten Lebensmonaten – erlebt hat. Die deutschen Besatzer ziehen die Schlinge um die jüdische Bevölkerung der Niederlande von Monat zu Monat enger, bis schließlich die Internierung im Sammellager Westerbork folgt – die Vorbereitung zum Transport nach Auschwitz. In Amsterdam wäre für Etty schon ein Versteck vorbereitet gewesen, sie geht aber freiwillig in die Vorhölle Westerbork, um zu helfen. Überall wo man hinsah – Angst, Hunger, verzweifelte Mütter, schreiende Säuglinge, apathische Greise. Etty ermutigt, organisiert, tröstet. Und vertraut auf Gott: „Ich kämpfe nicht mit dir, mein Gott, mein Leben ist ein großer Dialog mit dir.“ Drei Tage lang ist auch die Karmelitin Edith Stein in Westerbork – ehe sie deportiert wird. Auch sie nimmt sich im Lager um die Verzweifelten, vor allem um die Kleinkinder an. Ob die beiden Frauen einander direkt begegnet sind, weiß man nicht. Über einen Dritten scheinen sie aber voneinander gewusst zu haben. Eine „neue“ Etty. „Ettys unbekannte und teilweise aus dem KZ Westerbork geschmuggelte Briefe sind von atemberaubender Klarheit, spiritueller Dichte und sprühender Lebendigkeit“, betont der Therapeut Johannes Neuhauser: „Es ist, als hätte Etty in ihren letzten Lebensmonaten eine Entwicklung durchgemacht, zu der Menschen normalerweise Jahrzehnte brauchen.“ Unter dem Titel „Ettys Entscheidung“ hat Neuhauser aus den Briefen eine Bühnenfassung erarbeitet, die in Linz als deutschsprachige Uraufführung gezeigt wird. „Das ist kein Aufwärmen des ersten Stücks, sondern etwas völlig Neues – weil uns in den Briefen eine neue Etty begegnet.“
Ettys Entscheidung mit Bettina Buchholz, Katharina Wawrik, Georg Bonn und Erich Josef Langwiesner. Musik: Günther Gessert. Bühnenfassung: Johannes Neuhauser.
Ettys Entscheidung
Samstag, 12. November 2016, 19.30 Uhr (ausverkauft) Sonntag, 13. November 2016, 17 Uhr Samstag, 19. November 2016, 19.30 Uhr Sonntag, 20. November 2016, 17 Uhr (ausverkauft) Alle Aufführungen in der „Tribüne Linz“ (Eisenhandstraße 43, Linz). Karten (18,– Euro) unter www.tribüne-linz.at oder Tel. 0699/113 998 44.
Exklusiv für KiZ-Leser/innen: Mit dem Abschnitt auf KiZ-Seite 23 (bei der Kassa abzugeben) beträgt der Eintritt € 16,– (€ 2,– ermäßigt).