SERIE: Wegweisende und kritische Geister der KirchengeschichteTeil 6
Ausgabe: 2009/22, Serie, Savonerola, Kirchengeschichte, Winkler, Rom, Renaissance, Arno
27.05.2009 - Prof. Dietmar W. Winkler
So sehr fürchteten die Mächtigen der Kirche Girolamo Savonerola, dass sie den Gehenkten verbrannten und die Asche in den Fluss Arno warfen - nichts sollte an ihn erinnern.
Was wäre Rom ohne die Renaissance! Bis heute ist die kulturschöpferische Kraft dieser Zeit Anziehungspunkt für Massen von Besucher/innen. Die Päpste von Sixtus IV. (1471–1484) bis Leo X. (1513–1521) führten in ihrer Repräsentationsfreude die Stadt zu höchster Blüte, die Kirche aber auf einen Tiefpunkt ihrer Geschichte. Der fantastische kulturelle Aufschwung geht mit kirchlichem Versagen einher. Der Papst wurde zu einem Herrscher, dessen Kirchenstaat sich neben Mailand, Florenz, Neapel und Venedig zum wichtigen italienischen Machtzentrum etablierte. Renaissancefürsten als Nachfolger Petri, des armen galiläischen Fischers. Stellvertreter Christi, die vergaßen, wen sie auf Erden zu vertreten hatten.
Heute fast unvorstellbar. Selbstverständlich verdanken wir etwa Sixtus IV. Wundervolles wie die Sixtinische Kapelle, aber unter ihm glitt das Papsttum durch Familienpolitik, Kriege, prunksüchtige Hofhaltung, Ämterkauf und einträglicher Ablassverleihungen auch in die Verweltlichung ab. Innozenz VIII. (1484–1492) wiederum vermählte mit großer Pracht im Vatikan seine zwei Kinder aus vorpriesterlicher Zeit mit mächtigen Familien wie den Medicis. Zum Dank dafür wurde der 13-jährige Sohn des Lorenzo di Medici, Giovanni, zum Kardinal ernannt. Und schließlich Alexander VI. (1492–1503)! Er stammte aus der mächtigen Familie der Borgia und wählte den Namen, um selbstbewusst an sein Vorbild Alexander den Großen anzuknüpfen. Seine Familienverhältnisse störten weder ihn noch seine Wähler. Zumindest vier Kinder sind von ihm anerkannt, die er fürstlich versorgte. Das Pontifikat Alexanders ist von Gewissenlosigkeit, Amtsmissbrauch und Unmoral gekennzeichnet. Der Papst lebte beinahe gänzlich als weltlicher Fürst, der mit allen Mitteln Geld zu beschaffen trachtete. Als alle Quellen erschöpft waren, ließ er sogar seine reichen Kardinäle vergiften, ohne vorher zu versäumen, ein Kirchenstaatsgesetz zu verabschieden, das den Papst zum Alleinerben machte.
Helle und dunkle Seiten. Gegen Alexander tritt ein Dominikanermönch auf, Girolamo Savonerola. Seine Predigten in Florenz hatten apokalyptisches Gepräge, klagten die Sündenverfallenheit, den Pfründenwucher, den moralischen Verfall der Kirche an. Seine flammenden Reden wurden von den Massen bejubelt. Den Dominikanerorden wollte Savonerola mit der Gründung einer eigenen Kongregation 1493 reformieren, besonders das Armutsideal hervorkehren, damit die Mönche zum Werkzeug christlicher Erneuerung werden. Er entzweite aber auch die Gemüter, denn vielen war er von zu starkem Eifer. Als er 1497 in Florenz mit Scharen von Jugendlichen im Namen Christi alles beschlagnahmte, was er als Symbole der Verkommenheit deutete – profane Schriften, Schmuck, Kosmetika, Spiegel, Gemälde – kritisierten selbst die Franziskaner das Verhalten Savonerolas. Die Gegenstände wurden öffentlich verbrannt – eine dunkle Seite des unbequemen Geistes.Papst Alexander hielt er die Begünstigung seiner Kinder vor, tadelte sein prachtliebendes, ausgelassenes Leben und seine politischen Händel. 1495 wurde er von Alexander VI. der Ketzerei bezichtigt und zwei Jahre später exkommuniziert. Dennoch nahm Savonerola seine Predigttätigkeit wieder auf und richtete sich scharf gegen die Sittenverderbnis des Papstes. Auf römischen Druck verhaftete ihn die florentinische Stadtregierung. Unter Folter wurde der Dominikaner zu Geständnissen gezwungen, mit Zustimmung der päpstlichen Kommissäre öffentlich gehängt und verbrannt. Damit keine Reliquien der Asche entnommen werden konnten, warf man diese in den Fluss Arno.Savonerola wurde Opfer seiner eigenen Radikalität und der machtpolitischen Interessen Papst Alexanders VI. Papst Johannes Paul II. leitete 1998 seinen Seligsprechungsprozess ein.
Dietmar W. Winkler, Professor für Patristik und Kirchengeschichte, Universität Salzburg
Kurzbiographie Savonerolas
- 1452 in Ferrara (Italien) geboren - 1476 Eintritt in den Dominikanerorden - 1497 exkommuniziert - 1498 hingerichtet - 1998 Einleitung des Seligsprechungsprozesses