Ausgabe: 2009/24, blind, Not, Welt, Entwicklungszusammenarbeit, weniger Geld, Horizont 3000, Österreich, Gabriele Tebbich, Nicaragua, Gewalt an Frauen, Thomas Vogel, NGO’s, Wirtschaftskrise
10.06.2009
- Hans Baumgartner
„Gerade in der Wirtschaftskrise dürfen wir auf die Armen nicht vergessen“, sagt der österreichische „Entwicklungshilfe-Bischof“ Ludwig Schwarz. In der Regierung und im Parlament wurde sein Appell nicht gehört.
Erst vor kurzem kam die Geschäftsführerin von Horizont 3000, Gabriele Tebbich, aus Nicaragua zurück. Dort unterstützt das kirchliche Hilfswerk in der Region um Waslala landwirtschaftliche Entwicklungsprojekte. „Im Zuge dieses Engagements ist uns und unseren Partnern vor Ort immer klarer geworden, dass wir hier auch etwas gegen die massive Gewalt in den Familien, besonders gegenüber Frauen tun müssen. Ich habe vor Ort erschütternde Berichte über diese Gewalt gehört und deren Folgen gesehen“, sagt Tebbich. Erschüttert ist sie aber auch, dass Horizont 3000 ein fertig ausgearbeitetes Projekt zur Eindämmung der Gewalt an Frauen nicht starten kann, weil das Geld fehlt. „Dabei“, so Tebbich, „müssten wir gerade jetzt mit dem Projekt beginnen. Denn durch die Wirtschaftskrise steigen Arbeitslosigkeit und Not. In dieser tristen Lage nimmt die Gewalt in den Familien deutlich zu.“
Gekürzt. Das Programm gegen die Gewalt in den Familien ist nur eines von 15 Projekten, die Horizont 3000 sofort starten könnte, wenn es dafür vom Staat die nötigen Mittel gäbe, sagt Thomas Vogel. Aber trotz massiver Proteste im Vorfeld hat das Parlament das von der Regierung vorgelegte Budget für die Entwicklungshilfe nicht mehr verändert. Und so kommt es im „Kernbereich der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit“, der direkt unterstützten Projekte und Programme, de facto zu einer Kürzung der Mittel. Dabei könnte die vor fünf Jahren vom Außenministerium gegründete Österreichische Entwicklungs-Agentur ADA nach einer kürzlich veröffentlichten Evaluierung mit ihren bestehenden Ressourcen in Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ein doppelt so hohes Hilfsvolumen abwickeln. Allein Horizont 3000 könnte mit fertig ausgearbeiteten Projekten innerhalb kurzer Zeit sein bisheriges Hilfsprogramm von 17 Millionen Euro auf 24,5 Millionen ausweiten.
Mächtige Lobby fehlt. „Es fehlt nicht an guten Projekten und Strukturen, was fehlt ist der politische Wille“, sagt Heinz Hödl von der Koordinierungsstelle der Bischofskonferenz. Dass es für den Kampf gegen das Elend in der Welt in der Bevölkerung keinen Rückhalt gäbe, lässt Heinz Hödl nicht gelten. Er verweist darauf, dass trotz der Wirtschaftskrise die Spenden für die Sternsingeraktion oder der Kauf von fair gehandelten Produkten gestiegen seien. „Für den Kauf der Eurofighter gab es sicher weniger Rückhalt in der Bevölkerung, aber eine mächtige Lobby. Es gibt in den Parteien nur ganz wenige Leute, die sich für Entwicklungszusammenarbeit interessieren und sich auch persönlich von der Not betreffen lassen“, meint Hödl.
Not steigt. Nun räche sich, dass Österreich es verabsäumt habe, den in den vergangenen Jahren von den NGOs, aber auch von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) immer wieder geforderten Stufenplan zur Anhebung der direkten Programm- und Projekthilfe zu beschließen, sagt Hildegard Wipfel von der Koordinierungsstelle. „Weil diese verbindliche Vorgaben fehlen, wird nun bei knappen Budget- mitteln auch bei der Entwicklungshilfe gespart. Dabei werden die Menschen in den armen Ländern durch die hohen Nahrungsmittelpreise, die Rohstoffkrise, die Wirtschaftskrise und den Klimawandel besonders hart getroffen“, betont Wipfel. Die UNO befürchtet, dass die Zahl der Armen heuer um 100 Millionen steigen wird und dass jährlich zusätzlich 400.000 Kinder sterben werden.
Zur Sache
Entwicklungshilfe in Österreich
„Der Kernbereich der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit sind die Programme und Projekte, die aus dem Budget des Außenministeriums finanziert werden.“ So die offizielle Selbstdarstellung. Für diese Hilfe, die direkt bei den Menschen der armen Länder ankommt, wurden 2007 allerdings nur sieben Prozent der Mittel, die Österreich offiziell als „Entwicklungshilfe“ ausweist, ausgegeben; in Summe rund 92 Millionen Euro. Im Vergleich: die Mitglieder der Koordinierungsstelle der Bischofskonferenz haben dafür im selben Jahr 84 Mill. aufgewendet.Im Budget 2009 sind für konkrete Programme und Projekte ca. 98 Millionen vorgesehen. Zieht man die für den neuen Katastrophenfonds reservierten Mittel ab, bedeutet das eine Kürzung um zwei Millionen. In der Realität ist diese Kürzung noch deutlich höher, weil in den armen Ländern die Kosten für Nahrung, Treibstoff und Sicherheit drastisch gestiegen sind. „Wir erhalten für unsere Personaleinsätze seit zehn Jahren ein gleich hohes Budget; dafür könnten wir früher 1000 Einsatzmonate finanzieren, jetzt nur mehr 742“, sagt T. Vogel von Horizont 3000.
„Das Budget 2009/10 sowie die Budgetvorschau bis 2013 lassen befürchten, dass die österreichische Entwicklungshilfe wieder unter 0,3 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) absinken wird“, sagt Hildegard Wipfel von der Koordinierungsstelle. Im Jahr 2007 erreichten die „offiziellen“ Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit 0,48% BNE (1,38 Mrd. Euro). Davon waren 51 Prozent Schuldentilgungen, die meist wenig mit Entwicklungshilfe zu tun hatten (Irak, Nigeria u. a.). Da derzeit keine größeren Entschuldungen anstehen, müsste Österreich seine Budgetmittel deutlich anheben, um seine versprochenen Ziele (2010: 0,51% BNE; 2015: 0,7%) zu erreichen.