Im Ruhegebet wurde Peter Dyckhoff ein „neues Leben“ geschenkt – Das Ruhegebet, Serie: letzter Teil
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10.02.2010
- Pfarrer Dr. Peter Dyckhoff
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Er war ganz weit unten, als er eingeladen wurde, das Ruhegebet kennenzulernen. „Damit“, so sagt Peter Dyckhoff, hat für ihn „ein geheimes Abenteuer begonnen“.
Als am 10. Oktober 1964 gegen 12 Uhr mein Vater tödlich mit dem Auto verunglückte, war ich der Erste unserer Familie, der von diesem tragischen Unfall erfuhr. Ich war in dieser Zeit – 27-jährig – mit meiner Diplomarbeit im Fach Psychologie beschäftigt. Mir wurde bewusst, dass jetzt alle Verantwortung bei mir lag. Vater hinterließ einen Textilbetrieb mit mehr als zweihundert Mitarbeitern. Seinen großen Wunsch, mich rechtzeitig auszubilden und einzuarbeiten, um den Betrieb zu übernehmen, hatte ich immer ausgeschlagen. Nun gab es für mich kein Entrinnen mehr – ich hatte auch Verantwortung für meine Mutter und meine Schwester.
Die Leere. Ich stand, so fühlte ich mich, allein an der „Front“. Durch eine weitere menschliche Enttäuschung wuchs in mir immer mehr eine schmerzhafte Leere. Auch die kirchlichen „Hilfsangebote“ erschienen mir in dieser Zeit der zunehmenden seelischen Bedrängnis durch und durch nichtssagend und veräußerlicht. Ich bemerkte es vorerst nicht, wie ich damit begann, Brücken über Abgründe zu bauen, die weder dauerhaft, belastbar noch tragfähig waren. Abends trank ich Rotwein, regelmäßig und immer mehr; morgens dagegen starken schwarzen Kaffee. Statt zu essen gab es bereits mittags Rotwein und vor jeder schwierig erscheinenden Aufgabe zusätzlich hochprozentigen Korn. Niemand sprach mich darauf an. Dem Betrieb ging es schlechter, mir ging es schlechter. Die Ärzte verschrieben mir Beruhigungsmittel, die mich abhängig machten. Ich wollte so bald wie möglich die Verantwortung für den Betrieb abgeben. Doch Verhandlungen, das Unternehmen mit dieser schlechten Bilanz zu verkaufen oder zu fusionieren, scheiterten.
Die Einladung. Ich besuchte einen Geistlichen, der mir lange und aufmerksam zuhörte. Am Ende des Gespräches stand die konkrete Einladung zu einem dreitägigen Kurs „Einübung in das Ruhegebet“. Trotz anfänglicher Bedenken ließ ich mich überzeugen, am Kurs teilzunehmen. Damit begann die wohl größte Wende in meinem Leben. Es fiel mir nicht schwer, zweimal am Tag für zwanzig Minuten das Ruhegebet zu üben. Und bald wurde mir klar, dass ich hier nichts leisten musste und keine Erwartungen an mich gestellt wurden. Sich auf den Weg machen hieß nicht Stress, sondern Geschehen-Lassen und Empfangen – entgegen aller bisher gelernten Regeln. Schon nach einigen Tagen lernte ich, mich erst einmal bejahend anzunehmen mit meinen Schwächen, Fehlern, Misserfolgen und Unzulänglichkeiten. Ich ahnte, dass durch Wandlung etwas Gutes geschehen konnte.
Das Abenteuer. Ein geheimes Abenteuer hatte begonnen. Durch meinen Aufbruch wurde mir im wahrsten Sinne klar, dass das Wesentliche niemals von außen kommen kann – weder durch den eigenen Willen noch durch die Macht anderer. Das, was leben möchte und einmal auf ewig Bestand haben wird, kann nur als unverdientes Geschenk von innen angenommen werden. Die Voraussetzung allerdings ist, einen Zugang nach innen zu finden und Ballast zu entfernen, der den Weg versperrt. Hinzu kommt, im Gebet der Hingabe an den Willen und die Liebe Gottes das eigene Wollen zurückzunehmen. Zunächst erlebte ich auf diesem Weg, wie sich mein Körper wieder erholt hatte und von Abhängigkeiten frei wurde. Das Verlangen, Alkohol zu trinken, nahm von Tag zu Tag ab. Das Ruhegebet half mir, mein Leben und auch meine Geschäfte zu ordnen. Das für mich besonders Ergreifende liegt darin, dass ich diese „Umkehr“ nicht durch Worte oder einen Willensakt erreicht habe, sondern dass sie mir durch das Ruhegebet geschenkt wurde.
Türen geöffnet. Nachdem sich die Finanzlage der Firma merklich verbessert hatte, konnte ich sie veräußern. Und meine in diesen Jahren gereifte Hoffnung, vielleicht doch noch einen geistlichen Beruf ergreifen zu können, ging in Erfüllung. 1981 wurde ich in Brixen (Südtirol) zum Priester geweiht. Das Ruhegebet hat mich immer begleitet und mir sowohl manche verschlossene Tür in meinem Inneren geöffnet als auch die Türen zu anderen Menschen und zu einem glücklichen Leben.