Die Regierung will diskutieren, ob Richterinnen und Lehrerinnen aus Gründen der Integration das Kopftuchtragen verboten werden soll. Der Vorstoß kommt aus dem Integrationsministerium und wird unter anderem von den evangelischen Kirchen und Pax Christi kritisiert. Überdies ist der Vorschlag nicht so einfach umzusetzen – und betrifft nicht nur den Islam.
Ist ein solches Verbot überhaupt rechtlich möglich? Hier unterscheidet Herbert Kalb, Professor für Staatskirchenrecht an der Universität Linz, zwischen den genannten Berufen: „Bei Gericht ist distanzierende Neutralität notwendig. Deshalb unterstütze ich die Meinung, dass dort religiöse Symbole seitens der Justiz nichts zu suchen haben. Das gilt auch für das Kreuz im Gerichtssaal.“ Schwieriger sei die Argumentation bei den Lehrerinnen. „Hier geht es eher um eine Vorbildwirkung. In Deutschland hat der Bundesverfassungsgerichtshof ein pauschales Kopftuchverbot zurückgewiesen: Der Hinweis auf eine abstrakte Bedrohung des Schulfriedens reiche dafür nicht aus, hieß es. Persönlich halte ich ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen für juristisch problematisch. Die gegenteilige Ansicht ist aber auch schlüssig argumentierbar“, sagt Kalb. Das heißt, im Ernstfall müsste über ein Verbot wohl der Verfassungsgerichtshof oder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entscheiden. Betroffen von einem Verbot wäre jedenfalls religiöse Kleidung aller Religionen – außer bei Religionslehrer/innen, sagt der Rechtsexperte. Im Vorschlag aus dem Integrationsministerium wird betont, das Kreuz solle im Klassenzimmer hängen bleiben Dass Kreuze in Klassenzimmern als „stilles Symbol“ zulässig sind, haben höchstrichterliche Entscheidungen zwar bestätigt, wie Professor Kalb sagt. Im Zusammenhang mit einem Kopftuchverbot stellen sich ihm aber Fragen: „Der Staat, der ja keine Religion ausübt, hängt ein Kreuz auf. Wenn er aber gleichzeitig mit einem Kopftuchverbot massiv in die Religionsfreiheit der Lehrerin eingreift, wird man unter anderen Vorzeichen wieder über das Kreuz diskutieren können.“ Das Kopftuchverbot wäre dann wohl der Hebel für jene, die als strenge Laizisten in staatlichen Institutionen keine religiösen Symbole sehen wollen. Für eine vernünftige Lösung im Bezug auf das Kopftuch hält Kalb eine aufgeheizte Diskussion jedenfalls nicht für hilfreich.
„Mehr Ruhe“
Auch der Soziologe Kenan Güngör, der Mitglied im Expertenrat des Integrationsministeriums ist, sagt: „Es macht zwar Sinn, über das Kopftuch mit gebotener Seriosität zu sprechen. Ich würde dafür aber mehr Ruhe vorschlagen.“ Er warnt davor, Musliminnen mit Kopftuchträgerinnen gleichzusetzen: Der Großteil trage es nicht. Wenn die Debatte gehässig werde, könne das aber religiöse Gefühle von Nicht-Kopftuch-Trägerinnen verletzen. Problematisch sei jede Schwarzweiß-Malerei, denn die Gründe, warum ein Kopftuch getragen wird, seien heute unterschiedlich. „Es gibt auch Frauen, die es sogar als Zeichen der Emanzipation sehen.“ Man müsse aber beachten, dass das Kopftuch geschichtlich einer patriarchalen Gesellschaft entstamme und diese sich in der Symbolik des Kopftuches niederschlage. Es werde deshalb weniger vom liberal-säkularen als vielmehr vom konservativen Islam propagiert, sagt Güngör. Aber ist ein Verbot die richtige Antwort? „Ein Gesetz, dass ein Kopftuchverbot ausdrücklich beinhaltet, würde ich aus Gleichheitsgründen für falsch halten. Denn es wäre die Zementierung einer Ungleichbehandlung in Gesetzesform“, sagt Güngör. „Für mich ist nicht nur die Frage wichtig, ob es religiöse Symbole in staatlichen Institutionen gibt, sondern in welcher Sichtbarkeit und Dominanz. Würde eine muslimische Richterin ein Kettchen mit einem Gebetsspruch tragen, wäre das wohl kein Problem. Auch ein kleines Kreuz in Klassenzimmern dominiert ja nicht den Raum, wohl aber lebensgroßes Kreuz.“ Und was sagt Güngör zum Kopftuch? „Das ist ein markantes Symbol, weil es sehr dominant ist. Ich würde sagen: Keine dominanten religiösen Zeichen in bestimmten, staatlichen Institutionen wie z. B. der Pflichtschule – und das muss für alle Lehrenden wie auch Schüler aller Religionen gelten.“