Benin wird vom 18. bis 20. November Schauplatz des Papstbesuches sein. In dem westafrikanischen Land am Golf von Benin sind seit 1992 die Don-Bosco-Schwestern tätig. Die Missionarin Johanna Denifl erzählt vom Kampf gegen den Kinderhandel und den fatalen Zuständen in den Gefängnissen.
Reges Treiben herrscht auf Dantokpa. Der riesige Markt, der zu den größten Westafrikas zählt, erstreckt sich von der Lagune bis ins Zentrum Cotonous, der größten Stadt Benins mit etwa 800.000 Einwohnern. Hier pulsiert das Leben. Es wird verkauft, gefeilscht, gehandelt. Ein Stand reiht sich an den anderen. In großen Körben wird die Vielfalt an Gemüse und Obst dargeboten; allerlei Getreidesorten, Fisch und Hühner werden angepriesen. Von bunten afrikanischen Stoffen über Korb- und Lederwaren bis hin zu Küchengeräten, Kunstgegenständen und Voodoo-Utensilien gibt es hier fast alles zu kaufen. Wer keinen Marktstand hat, trägt die Waren in Körben auf dem Kopf – das sind vor allem die Frauen. Doch nicht nur Erwachsene arbeiten hier, sondern auch Minderjährige. „Auf Dantokpa gibt es bis zu 15.000 arbeitende Kinder, die ausgebeutet werden anstatt in die Schule gehen zu dürfen“, erzählt die Missionarin Johanna Denifl.
Sklavenhändler. Armut spielt als Ursache für den Kinderhandel eine große Rolle. Es gibt sowohl Kinderhändler als auch Verwandte, welche die Kinder aus armen Verhältnissen von den Eltern aus den Dörfern wegholen – meistens unter dem Vorwand, sie könnten bei ihnen in die Schule gehen oder sie fänden gute Arbeitsplätze für sie, damit sie der Familie Geld schicken können. „Viele Eltern glauben das und geben ihre Kinder weg. Die Buben werden dann von diesen Sklavenhändlern oft in die Steinbrüche nach Nigeria gebracht; die Mädchen kommen in die Haushalte oder müssen auf dem Markt Waren verkaufen“, sagt Schwester Hanni.
Sozialprojekte. Auf das Problem des Kinderhandels in Cotonou sind die Don-Bosco- Schwestern schon bald nach ihrer Ankunft 1992 aufmerksam geworden. Nach und nach haben sie ein Sozialprojekt gegen den Kinderhandel aufgebaut. Ein Team aus Sozialarbeitern, Erziehern, Psychologen, Lehrern und Krankenschwestern hilft mit, dieses Problem einzudämmen. Es gibt fünfzehn verschiedene Einrichtungen der Missionarinnen wie etwa Heime, Schulen oder Ausbildungswerkstätten. „Im ,Kleinen Heim‘ sind zum Beispiel jene Kinder untergebracht, die unsere Sozialarbeiter auf dem Markt finden oder die uns die Polizei bringt – Kinder, die gehandelt wurden oder die davongelaufen sind, weil sie geschlagen oder misshandelt worden sind“, so die Missionarin. Seit 2006 gibt es in Benin ein Gesetz gegen Kinderhandel. Seither setzt sich die Polizei vermehrt dagegen ein und arbeitet auch mit den Don-Bosco-Schwestern zusammen. Immer wieder führen die Missionarinnen Aufklärungskampagnen gegen Kinderhandel durch und geben Infos via Radio weiter.
Heime. Im „Kleinen Heim“ der Don-Bosco- Schwestern sind derzeit bis zu 30 Kinder und Jugendliche untergebracht. „Wir fahren in die Dörfer und versuchen, die Eltern der Kinder ausfindig zu machen. Manchmal gelingt eine Reintegration in die Familie, manchmal nicht. Es kommt auch vor, dass die Eltern ihre Kinder wieder verkaufen“, sagt Johanna Denifl. Ist eine Rückführung in die Familie nicht möglich, so kommen die jungen Menschen, die als billige Arbeitskräfte ausgebeutet, misshandelt und geschlagen wurden, ins „Große Heim“. Im Moment erhalten dort 55 Kinder und Jugendliche eine Schul- oder eine Berufsausbildung und werden psychologisch betreut.
Haus der Hoffnung. Am Rande des Dantokpa-Marktes befindet sich das „Haus der Hoffnung“. Schwester Hanni kümmert sich hier nicht nur um Opfer von Kinderhandel, sondern auch um jene Jugendlichen, die niemanden mehr haben, sich selber durchbringen müssen und nicht selten auf dem Markt landen. Im „Haus der Hoffnung“ finden sie sichere Schlafplätze, Freizeitmöglichkeiten und die Gelegenheit, eine Ausbildung zum Bäcker, Konditor, Koch oder Seifenhersteller zu machen. „Die jungen Leute, die ausgenutzt und missbraucht wurden, sind froh, hier Schutz zu finden und jemanden ihr Herz ausschütten zu können. Man spürt, sie haben Vertrauen.“
Schwanger mit 16. Häufig kommt es vor, dass die jungen Mädchen ungewollt schwanger werden. „Nicole zum Beispiel. Sie hat bei uns eine Bäckerlehre gemacht und das Brot, das sie gebacken hat, am Markt verkauft, um sich etwas dazuzuverdienen. Ein Polizist hat sie in einen Innenhof gelockt und sie sexuell missbraucht. Daraufhin ist sie schwanger geworden – mit 16 Jahren.“ Ein anderes Mädchen, Vacel, wurde direkt von einer Praktikumsstelle bei den Don-Bosco-Schwestern entführt, 14 Tage lang gefangengehalten und vergewaltigt. Auch sie ist mit 16 schwanger gewesen. „Vacel konnte danach lange Zeit nicht essen, nicht schlafen, hatte Albträume, Durchfall. Jeden Tag passiert hier etwas mit den Mädchen und Buben und wir versuchen, ihnen bestmöglich zu helfen. Ich liebe die Arbeit mit den Kindern, das ist für mich das Schönste“, sagt die gebürtige Tirolerin aus Fulpmes. Unterstützt wird die Arbeit der Don-Bosco-Schwestern vom internationalen Hilfswerk „Jugend Eine Welt“.
Gefängnisprojekt. Seit Juni 2011 gibt es eine neue Herausforderung für Schwester Hanni. „Wir haben begonnen, minderjährige Kinder im Gefängnis zu betreuen. Angefangen haben wir damit, als zwei Bäckerlehrlinge von uns wegen Diebstahls eingesperrt wurden. Mariano ist 17, Michel 19. Beide kommen aus schwierigen Familienverhältnissen“, erzählt Schwester Hanni. Mariano war sieben, als seine Mutter bei der Geburt ihres zweiten Kindes starb. Auch das Baby überlebte nicht. Daraufhin ist sein Vater abgehauen und hat ihn bei der Tante zurückgelassen. Ihr hat er nie gefolgt, hat die Schule abgebrochen und ist auf dem Markt in Cotonou gelandet. Michel ist nie in die Schule gegangen. Sein Vater ist tot, die Mutter sehr alt. Er hat sich schon früh selber durchs Leben schlagen müssen. Mit Gepäck-Tragen oder Waren-Ausladen brachte er sich mehr schlecht als recht durch. „Die zwei Buben haben wir auf Dantokpa aufgelesen und ihnen eine Lehre ermöglicht. Nun sitzen sie seit Juni immer noch im Gefängnis. Ich besuche sie regelmäßig, gemeinsam mit einem Psychologen und einem Sozialarbeiter. Wir wissen nicht, wann sie rauskommen“, so die Tirolerin besorgt.
Weiterkämpfen. Die Zustände in dem überfüllten Gefängnis in Cotonou sind fatal, die hygienischen Verhältnisse miserabel. Einmal am Tag gibt es zu essen, allerdings dürfen Besucher Nahrung mitbringen. Sechs Einzelzellen gibt es nur für Schwerverbrecher. Alle anderen Häftlinge sind in einer Baracke zusammengepfercht; geschlafen wird hockend. Für die raren Stockbetten muss bezahlt werden. „Insgesamt gibt es 41 minderjährige Buben, die von den Erwachsenen getrennt sind. Die acht minderjährigen Mädchen sind mit den erwachsenen Frauen zusammen eingesperrt. Außerdem haben wir 12 Kinder bis zu sechs Jahren im Gefängnis gefunden, um die sich niemand kümmert. Die Notwendigkeit, hier etwas zu tun, ist groß. Wir kämpfen weiter“, so die Missionarin.
Papst Benedikt reist nach Benin
Zur Sache
Groß war die Freude bei den Mädchen vom Lehrrestaurant „Mamma mia“ der Don-Bosco-Schwestern in Cotonou, als sie erfuhren, dass sie für Papst Benedikt bei seinem Aufenthalt in Benin (18. bis 20. November) kochen sollen. Eifrig sind sie dabei, alles vorzubereiten. Bei der großen Abschlussmesse im Stadion von Cotonou werden die Mädchen aus den Heimen der Don-Bosco-Schwestern einen Gebetstanz aufführen. Einer der Höhepunkte der Papstreise in das westafrikanische Land ist die feierliche Vorstellung des Abschlusspapiers zur Afrika-Synode vom Herbst 2009. Dieses Dokument soll Grundlage für die Pastoral der Kirche in den kommenden Jahren sein. Papst Benedikt wird zudem mit den Gläubigen den Beginn der katholischen Mission in Benin vor 150 Jahren feiern. Bei einer Ansprache an die Bischöfe Angolas und São Tomés Ende Oktober warnte der Papst vor Fehlformen der Inkulturation, etwa wenn christliche und fetischistische Praktiken vermischt würden. Diese seien absolut unvereinbar mit dem Glauben, so Benedikt. Auch in Benin gilt die Inkulturation als eine der großen Herausforderungen der katholischen Kirche, ist das Land doch die Wiege des Voodoo. 35 % der 9 Millionen Einwohner Benins sind Christen, 25 % Muslime, 17 % praktizieren offiziell die Voodoo-Religion, die allerdings in alle anderen Religionen hineinspielt.