Fragen an die beiden Kandidaten für die Bundespräsidenten-Stichwahl am 22. Mai 2016
Ausgabe: 2016/19, Hofer, Van der Bellen, Bundespräsident, Interview
10.05.2016 - Neiderleitner Heinz
Der 45-jährige Norbert Hofer ist Dritter Präsident des Nationalrats (FPÖ) und von Beruf Flugzeugingenieur. Bei ihm hat uns im Speziellen seine Meinung zur kirchlichen Position in der Flüchtlingsfrage interessiert.In der Flüchtlingsfrage ist die Bevölkerung gespalten. Wie wollen Sie als Bundespräsident eine Brücke zwischen den Positionen bilden?
Hofer: Ich glaube, es ist in der Zwischenzeit unbestritten, dass Österreich voriges Jahr eine sehr große Anzahl an Asylsuchenden aufgenommen hat und im heurigen Jahr nicht wieder eine so große Anzahl an Personen aufnehmen kann. Ich halte es für unrealistisch und für einen naiven Zugang zu glauben, alles sei schaffbar. Der angebliche „Riss“ in der Gesellschaft kann nur dann überwunden werden, wenn bestehende Gesetze eingehalten werden. Ich glaube, dass man beide Positionen ernst nehmen muss. Dennoch bin ich auch der Ansicht, dass die innere Ordnung in unserer Heimat ein sehr hohes Gut ist, das wir unbedingt erhalten müssen. Alle Meinungen an einen Tisch zu bringen, ist mit Sicherheit der größte Erfolg im Bereich Asyl. Genau das strebe ich an.
Repräsentanten der katholischen Kirche – vom Papst über Kardinal Schönborn und die Caritas bis zur Katholischen Aktion – lehnen die Abschottungspolitik gegenüber Flüchtlingen ab. Wie stehen Sie zu dieser Positionierung?
Hofer: Österreich hat rund 90.000 Personen aufgenommen. Jetzt geht es darum, diesen Personen eine Zukunftsperspektive zu geben. Österreich hat sich neben Deutschland und Schweden mit Sicherheit am allerwenigsten abgeschottet.
Sie gehen mit der EU sehr kritisch ins Gericht. Aber ist nicht das Friedensprojekt Europa insgesamt wichtiger als seine Fehler?
Hofer: Nein, denn wenn das Projekt Europa eine Chance haben und auch mittelfristig reüssieren soll, ist es notwendig, auf Fehler und Irrwege hinzuweisen. Nicht nur in der Flüchtlingsfrage, auch im Bereich der Finanzkrise hat die EU bis heute kläglich versagt.
Sie wollen eine Volksabstimmung über das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP). Lehnen Sie ein solches Abkommen generell ab?
Hofer: Ich kann diesem Freihandelsabkommen nichts Positives für Österreich abgewinnen. Was bis jetzt an Inhalten bekannt ist, bestärkt meine kritische Haltung. Ich werde als Bundespräsident diesen Staatsvertrag nicht einfach unterschreiben, sondern würde eine verbindliche Volksabstimmung verlangen. Denn schließlich ist jeder Einzelne in der Bevölkerung von den Verschlechterungen betroffen.
Homosexuelle Menschen können sich in Österreich verpartnern, aber nicht standesamtlich heiraten. Passt das oder soll es Änderungen geben?
Hofer: Ich denke, das passt. Die Ehe zwischen Mann und Frau muss ihre Sonderstellung behalten, da sie die einzige Lebensform ist, aus der auf natürlichem Wege Nachkommen entstehen können.
Kardinal Schönborn sagte: „Unsere österreichischen muslimischen Mitbürger/innen gehören zu Österreich.“ Stimmen Sie dem Satz zu?
Hofer: Ich stimme insoweit zu, wenn diese muslimischen Bürger österreichische Grundwerte sowie unser Rechtsverständnis akzeptieren. Wer die Scharia über die staatliche Rechtsordnung stellen möchte, hat in Österreich keinen Platz.
Das Fortpflanzungsmedizingesetz ist auf weitgehende kirchliche Ablehnung gestoßen, z.B. wegen der Eizellenspende. Was ist Ihre Haltung?
Hofer: Das Leben ist viel zu kostbar, um damit zu experimentieren. Ich habe das Gesetz aus mehreren Gründen abgelehnt: Erstens glaube ich, dass es für Kinder wichtig ist, mit Vater und Mutter aufzuwachsen. Als zweiten wichtigen Punkt sehe ich die Eizellenspende, die eine enorme gesundheitliche Belastung für die Spenderin darstellt. Am stärksten gewogen hat für mich die Einführung der Präimplantationsdiagnostik. Hier sehe ich die Gefahr einer massiven Selektion von „unwertem“ Leben. Diese Situation ist für mich als Behindertensprecher meiner Fraktion vollkommen unmöglich.
Was schätzen Sie am meisten an Österreich? Und womit haben Sie Probleme? Ich schätze die Vielfalt in Österreich. Ich selbst komme aus dem Burgenland, einem Bundesland, in dem sich die in den Regionen entwickelten Eigenheiten in einer gesamtösterreichischen Lebensart widerspiegeln. Aber auch die Menschen in unserer Heimat sind ein wunderbares Volk, mit großem Herz aber auch viel Gespür für Recht und Unrecht. Sorgen bereiten mir die Zunahme von Egoismus und Ellenbogentechnik.
Der 72-jährige Alexander Van der Bellen ist Uniprofessor für Volkswirtschaft und war bis 2008 Bundessprecher der Grünen. Bei ihm hat uns besonders sein Umgang mit dem Reizwort „Multikulti“ interessiert.In der Flüchtlingsfrage ist die Bevölkerung gespalten. Wie wollen Sie als Bundespräsident eine Brücke zwischen den Positionen bilden? Van der Bellen: Aufgabe des Bundespräsidenten ist es, Sorgen ernst zu nehmen. Wir sind verpflichtet, Menschen, die vor Folter und Krieg flüchten, erst einmal Schutz zu geben und ein faires Verfahren zu ermöglichen. Das geht aber nur in einem solidarischen Europa. Als Bundespräsident werde ich die Bundesregierung und die Landeshauptleute, aber auch die Regierungen der anderen EU-Länder daran erinnern, dass es ihre Aufgabe ist, nach vernünftigen gemeinsamen Lösungen zu suchen, statt zu streiten und sich zu blockieren.
Bei Wirtschaftsflüchtlingen haben Sie sich auch zurückhaltend gezeigt. Wer genau sollte also nicht aufgenommen werden? Van der Bellen: Ich will geordnete Verhältnisse. Wir müssen zwischen Schutzsuchenden und Arbeitsmigranten unterscheiden. Wir haben gerade 500.000 Arbeitslose. Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen kommen wollen, haben aus meiner Sicht derzeit leider keine Chance auf Aufnahme bei uns.
Tun Sie sich angesichts der mangelnden Solidarität in Europa nicht schwer, Menschen von Ihrer proeuropäischen Linie zu überzeugen? Van der Bellen: Ich verstehe die Frustration und Verärgerung gut. Doch ich bin der tiefen Überzeugung, dass wir aus friedens- und wirtschaftspolitischer Sicht alles tun sollten, damit Europa nicht auseinanderbricht, sondern zusammenwächst. Ich will keine „Verzwergung“ und zurück zu den Nationalstaaten. Das wäre für ein kleines Land wie Österreich und für die Arbeitsplätze bei uns katastrophal.
Sie positionieren sich gegen das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP mit den USA. Früher haben Sie da auch positive Aspekte gesehen. Mit welchen Pro und Contra wägen Sie das ab? Van der Bellen: Österreich lebt von den Exporten unserer erfolgreichen Unternehmen. Aber was TTIP angeht, ist völlig klar: Unsere Bio- und Bergbauern dürfen nicht dem Druck der Gentechnik-Allmacht internationaler Konzerne ausgesetzt werden. Nach den jüngsten Enthüllungen fordere ich einen Verhandlungsstopp. Da stelle ich mich schützend vor die österreichischen Bauern. Ich würde das Abkommen nicht unterzeichnen.
Homosexuelle Menschen können sich in Österreich verpartnern, aber nicht standesamtlich heiraten. Passt das oder soll es Änderungen geben? Van der Bellen: Warum sollen homosexuelle Paare, die auch rechtlich verbindlich Verantwortung füreinander übernehmen wollen, das nicht auch in einer feierlichen Zeremonie am Standesamt tun können?
Angela Merkel hat einmal gesagt, Multikulti sei gescheitert. Stimmen Sie dem zu? Gibt es kulturelle Gemeinsamkeiten, die wir bei uns mit aller Entschiedenheit durchsetzen müssen? Van der Bellen: Wir müssen uns auf eine gemeinsame Basis besinnen. Jeder Mensch hat das Recht, in Frieden und Würde zu leben. Das gehört zu den Menschenrechten und die waren immer moralische und politische Richtschnur in meinem Leben. Ich glaube aber auch an bestimmte Menschenpflichten. Nämlich die Pflicht, Freiheit, Respekt und Menschlichkeit nicht als selbstverständlich anzusehen, sondern darauf zu schauen und zu achten, dass sie auch in Zukunft garantiert sind. Wir stehen hier sicherlich vor Herausforderungen. Hier brauchen wir Klarheit, was Rechte und Pflichten betrifft.
Das Fortpflanzungsmedizingesetz ist auf Ablehnung durch die katholische Kirche gestoßen, zum Beispiel wegen der Eizellenspende. Was ist da Ihre Haltung? Van der Bellen: Ich bin kein Experte in diesem sich sehr schnell entwickelnden Bereich der Fortpflanzungsmedizin. Ich glaube, hier braucht es große Achtsamkeit und den intensiven Dialog zwischen Medizin, Rechtswissenschaften und Ethik.
Was schätzen Sie am meisten an Österreich? Und womit haben Sie Probleme? Van der Bellen: Ich habe miterlebt, wie sich unsere Heimat aus den Trümmern, in die uns ein nationaler Wahn gebracht hat, befreit hat und über sich selbst hinausgewachsen ist. Dieser Zusammenhalt und diese schöpferische Kraft begründen meinen starken Glauben an Österreich. Manchmal würde uns mehr Optimismus und Zuversicht gut zu Gesicht stehen.