Anfangs war er jedesmal wenig begeistert von den Aufgaben, die ihm der Abt übertragen hat. Doch es passierte Kurioses: Wo immer ihn sein Vorgesetzter hinstellte oder er sich unbequemen Herausforderungen stellte, wurde er reich beschenkt. Abt emeritus Christian Haidinger erzählt über die Stationen seines Lebens.
Ausgabe: 2015/42, Haidinger, Buch, Abt, Kirche
13.10.2015 - Josef Wallner
Abt Christian, seit zwei Jahren sind Sie nicht mehr Vorsteher des Stiftes Altenburg, sondern Abt emeritus. Was machen Sie jetzt in der vielen freien Zeit? Abt Christian Haidinger lacht: Die Arbeit ist sogar noch mehr geworden, denn ich habe seit meiner Jugend einen Sprachfehler: Ich kann nicht Nein sagen. Neben meinen Aufgaben als Präses der Österreichischen Benediktinerklöster und als Vorsitzender der Superiorenkonferenz habe ich jetzt auch wieder Exerzitien angenommen. Seit zehn Jahren das erste Mal. Ich finde es schön, wenn man gebraucht wird.
Wie sind Sie in Ihrem Leben auf das Bibelwort gestoßen, das auch den Titel für Ihr Buch abgibt: „Geh, wohin ich dich sende?“ Der Satz begleitet mich seit meiner Studentenzeit in Rom. Ein Professor hat ein ganzes Jahr in seiner Vorlesung nur das Buch Jeremia ausgelegt. Das hat mich beeindruckt, vor allem der Satz „Geh, wohin ich dich sende“. Er wurde zum roten Faden meines Lebens. Er hat mir geholfen, ja zu den neuen Herausforderungen zu sagen, die immer auf mich zugekommen sind. In diesem Bibelwort steckt der Segen des Gehorsams. Ich habe mich oft gewehrt, aber schließlich sind mir die Entscheidungen der Oberen oder die Aufgaben, die mit einem Amt verbunden sind, immer zum Segen geworden und haben mich in ein buntes Leben geführt. Als mir der Abt gesagt hat, dass ich in die Schule gehen und Religion unterrichten soll, habe ich mir gedacht: Jetzt kann ich mir das „Pfarrersein“ auf den Hut stecken. Als ich in das Kloster eingetreten bin, hatte ich nur ein Ziel vor Augen, dass ich einmal Pfarrer einer Stiftspfarre werde. Schließlich war ich 29 Jahre lang in der Schule und in dieser Zeit ist die Jugendarbeit gewachsen, die mein Leben unendlich bereichert hat. Wenn ich denke, dass zu den Jugendvespern oft an die 1000 Leute gekommen sind.
Sie waren auch neun Jahre lang Novizenmeister, haben den Ordensnachwuchs ausgebildet. Was sagen Sie jungen Menschen, die Sie fragen, ob sie einen geistlichen Beruf ergreifen sollen? Leider werde ich selten angesprochen. Aber wenn, dann erzähle ich von meiner eigenen Berufungsgeschichte. Warum denken so wenige junge Menschen an einen geistlichen Beruf? Ich weiß es nicht, ich habe keine Patentantwort. Doch auch wenn es sehr wenige sind, entscheiden sich immer wieder Menschen für einen Eintritt ins Kloster oder Seminar. Das ist schön.
Die zehn Jahre als Pfarrer in Buchkirchen bezeichnen Sie als die schönsten Jahre Ihres Lebens. Warum? Mit 52 Jahren ist dann plötzlich mein Traum in Erfüllung gegangen und ich wurde Pfarrer in Buchkirchen. Es ist dort so viel gewachsen. Wir haben den Pfarrhof renoviert und dabei nicht gefragt: Was kostet das, sondern: Was brauchen wir? Der Pfarrhof wurde wirklich zu einem Ort der Begegnung und ist es geblieben. Es war einfach schön.
Geprägt hat Sie auch Ihre Ernennung zum geistlichen Assistenten der Katholischen Frauenbewegung (kfb) … Schon in der Pfarre habe ich gemerkt: Ohne Frauen geht gar nichts. Drei Frauen haben als Team die kfb in Buchkirchen wieder aufgebaut. Im ersten Jahr haben sie gleich einige Dutzend neue Mitglieder geworben. Diese Frauen waren auch für Spirituelles sehr offen. Bei der kfb Österreich habe ich dann Margit Hauft als Vorsitzende und weitere Powerfrauen näher kennengelernt. Frauen, die sich auf gläubiger, spiritueller Basis in der Kirche engagieren. Und ich durfte mittendrin sein. Manchmal haben wir bei unseren Leitungstreffen Eucharistie gefeiert, dann wiederum Frauenliturgie. Liturgische Feiern, die die Frauen selbst vorbereitet haben und selbst leiteten, waren mir bis dahin völlig unbekannt. Ich habe selbstverständlich mitgefeiert und war davon immer sehr berührt. Ich habe viel dazugelernt, wie Frauen leben und glauben.
Sie sind auch dafür bekannt, dass Sie – im Unterschied zu anderen Kirchenoberen – öffentlich für das Priestertum der Frau eintreten. Ich fordere nicht das Priestertum der Frau – denn was hat ein kleiner Mönch wie ich in der Kirche zu fordern? – Gar nichts. Ich bin nur fest überzeugt, dass es kommen wird und dass es gut ist, wenn es kommen wird. Und davon gebe ich Zeugnis!
Und warum? Schauen wir nach Rom zur Synode: Dort entscheiden 300 alte Männer über Familienfragen, ein paar Frauen dürfen zwar zuhören, aber letztlich entscheiden Männer über Frauenleben. Das passt einfach nicht mehr. Ich glaube Papst Franziskus fühlt auch, dass hier Änderungen notwendig sind. Er fordert nicht das Priestertum, aber vehement Leitungsämter in der Kirche für Frauen. Ich spüre, es ist etwas auf dem Weg. Aber wann es so weit sein wird, weiß ich nicht. Was sollte bei der Synode herauskommen? Wenn sich die Synode zu keinen konkreten Schritten zum Beispiel in der Frage der wiederverheirateten Geschiedenen durchringen kann, soll sie wenigstens keine Festlegungen treffen und trachten, dass der Prozess offen bleibt. Wenn in guter Atmosphäre ehrlich um die Wahrheit gerungen wird, ist das auch gut. Und sollte sich gar nichts bewegen, so wird doch viel für die Synode gebetet. Das ist ebenfalls gut.
Haben Sie Zeit für Hobbys? Früher bin ich gerne Schifahren gegangen, ich habe auch gerne tarockiert. Heute kann ich sagen: Mein Hobby ist, bei den Menschen zu sein. Dabei erhole ich mich. Ein gemütliches Ambiente dabei tut mir gut.
Sie haben als Ordensmann die evangelischen Räte versprochen, Sie leben arm, ehelos und gehorsam. Das sind schon Einschränkungen. Haben Sie das Gefühl, dass Sie im Leben etwas verpasst haben? Nein, überhaupt nicht. Natürlich habe ich Krisen gehabt. Zölibatär zu leben ist nicht jeden Tag lustig – aber ich war nie in einer Situation, wo ich überlegt habe, mein Priestersein aufzugeben. Ich kann ohne Einschränkung sagen: Mein Leben ist schön und erfüllt.
Wenn Sie auf Ihre Zukunft schauen … Ich bin 72 Jahre alt und dankbar, dass ich so gesund bin. Das Loslassen als Abt vor zwei Jahren, das war schon eine Herausforderung. Das ist mir nicht ganz leichtgefallen. Aber ich fühle mich in Altenburg wohl, das ist meine Gemeinschaft, mein Daheim und dort bleibe ich auch. Mich freut natürlich, dass ich sehr schöne Aufgaben habe. Bis 2017 bin ich Präses der Benediktinerkongregation. Im kommenden Jahr läuft die dreijährige Amtsperiode als Vorsitzender der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften in Österreich aus. Da könnte ich mir vorstellen, dass ich nochmals für eine Periode zur Verfügung stehe. Doch Ämter sind nicht das Entscheidende im Leben, entscheidend ist: Ich fühle mich geborgen in der liebenden Hand Gottes.
Für Sie Gelesen
Alltag und „heiße Eisen“
Obwohl Abt emeritus Christian Haidinger seit 2005 im Stift Altenburg (Waldviertel) lebt, ist er in Oberösterreich nicht vergessen und von unzähligen Menschen sehr geschätzt. Die werden gerne zu seiner gewinnend und locker geschriebenen Autobiografie greifen. Er nimmt die Leser/innen mit zu den vielfältigen Stationen und Herausforderungen seines Lebens: Während seiner 29 Jahre als Religionslehrer am Stiftsgymnasium Kremsmünster hat er in der Jugendarbeit Maßstäbe gesetzt, wenn man an die Jugendvespern und das daraus entstandene Jugendbrevier denkt. Es erreichte eine Auflage von 25.000 Stück. Als Assistent der Cursillobewegung in der Diözese Linz hat er viele Menschen zu einem erwachsenen, tragfähigen Glauben begleitet. Aus seinem Leben nicht wegzudenken ist das Engagement für Menschen in Rumänien rund um Hermannstadt, das schon lange vor dem Fall des Eisernen Vorhangs begann. Predigten und Vorträge von Abt Christain ergänzen seine Lebensgeschichte.
Geh, wohin ich dich sende! Ein dankbarer Blick auf ein erfülltes Leben, Christian Haidinger, Styria Premium 2015, 188 Seiten, € 24,90.