Lesen Sie alle Beiträge zum Schwerpunkt Brucknerjahr 2024
Alina Bronsky
Ja, die Zahl Pi erinnert uns doch alle an Mathematik. Genauigkeit und Formeln waren in Mathematikstunden wichtig, manchmal sogar überlebens- wichtig. Da ist dann die Phrase „Pi mal Daumen“ schon etwas sympathischer, schwächt sie doch das alles ab, statt Genauigkeit nimmt die doch oft so gefällige Schätzung den Platz ein.
Und exakt die Mischung zwischen der sturen Exaktheit und der gefälligen Schätzung trifft zu in dem Roman der russisch-deutschen Schriftstellerin Alina Bronsky.
Für Exaktheit, Genauigkeit und Berechenbarkeit steht der erst 16-jährige Mathematikstudent Oscar, hochbegabt und hilflos in der Begegnung mit Familie und Mitmenschen. Zur ersten U-Bahn-Fahrt seines Lebens zieht er tatsächlich Gummihandschuhe an. Seine autistischen Züge sind nicht zu übersehen.
Und dann ist Moni Kosinski, 53 Jahre alt, Vorliebe für hochhackige Schuhe, Leopardenlook und dreifache Großmutter. Diese beiden unterschiedlichen Charaktere finden sich in der Mathematikvorlesung. Natürlich bezweifelt Oscar, dass Moni jemals eine Mathematikklausur schaffen wird. Während er eine Karriere als berühmter Mathematiker anstrebt, ist eigentlich unklar, warum sich Moni das antut, hält sie doch sogar das Studium vor ihrer Familie geheim und gibt vor, einen weiteren Job als Putzfrau gefunden zu haben.
Mit ihrer herzlichen Mütterlichkeit findet sie jedoch Platz in Oscars Leben. Er dankt es ihr, indem er für sie in Vorlesungen mitschreibt, wenn wieder einmal ein Familienmitglied Monis Hilfe benötigt.
Doch diese seltsame Freundschaft wirft auch Fragen auf: Warum kennt der so bewunderte Universitätsprofessor Moni?
Sehr witzig, aber auch feinfühlig wird diese Geschichte über zwei sehr unterschiedliche Außenseiter geschildert. Selten gibt es so amüsante Fußnoten. Empfehlenswert, nicht nur für Mathematiker:innen!
Elena Fischer
Eine 14-jährige Autofahrerin? Im Roman der deutschen Autorin Elena Fischer gibt es sie tatsächlich. Billie, die 14-jährige Tochter einer aus Ungarn stammenden Frau, macht sich auf die Suche nach ihrem Vater und ihren Wurzeln.
Paradiesisch ist das Leben von Billie und ihrer Mutter keineswegs. Das Geld ist immer knapp, oft reicht es nur für Nudeln mit Ketchup. Von einem Urlaub am Meer kann sie nur träumen, fantasievoll unterstützt von ihrer geheimnisvollen Mutter Marika, der Nachbarin Luna, die gegen ihre Traurigkeit Torten backt, und von Ahmed, dem hilfsbereiten Nachbarn mit immer guten Ideen. Und dann ist es wirklich so weit: Ein Gewinn lässt die Träume von einem Urlaub fast konkret werden, wenn nicht die Großmutter aus Ungarn gekommen wäre, wenn nicht ein Streit zwischen Mutter und Großmutter ausgebrochen wäre und wenn nicht die Mutter dabei so unglücklich gestürzt wäre, dass sie an den Folgen dieses Sturzes stirbt. Vor Trauer fallen Billie die Haare aus und sie setzt eine blaue Perücke auf. Viele Fragen hat sie, die ihr ihre Mutter nicht mehr beantworten kann.
Daher will Billie ihren unbekannten Vater finden und macht sich im alten Auto der Mutter allein auf die Reise ans Meer. Eine aufregende Reise beginnt, die nicht nur in Kilometern gemessen wird, es ist auch eine Reise auf dem Weg zum Erwachsenwerden dieser so sympathischen Billie.
Anna Katharina Hahn
Viele Neuerscheinungen am Buchmarkt haben Schicksale von jungen Frauen zum Thema. Die deutsche Autorin Anna Katharina Hahn hat mit ihrem neuesten Werk fast einen Generationenroman geschaffen, singen doch in diesem Frauenchor ältere Frauen, mittelalte und jüngere Sängerinnen, angeführt von einer estnischen Chorleiterin.
Sie alle eint die Freude am gemeinsamen Singen, die ihnen gerade nach Corona, als sie entweder nur mit Maske im Park oder gar nicht singen konnten, wieder bewusst wird. Aber es gibt auch Spannungen zwischen den einzelnen Sängerinnen.
Da ist einmal Alice, erfolgreich im Beruf, verheiratet, aber voller Zweifel, warum Marie, eine weitere Chorsängerin, so plötzlich keinen Kontakt mehr mit ihr haben will. Dafür hat Marie eine weitere Sängerin angeworben, Cora, die so offensichtlich nicht zu den anderen Sängerinnen passt. Für die ältere Generation steht Lena, eine pensionierte Lektorin, die mit den Zumutungen des Alterns sehr hart konfrontiert wird. Und dann taucht die junge Studentin Sophie auf, die besonders Alice verwirrt und fasziniert.
Die Autorin nimmt die Leserin, den Leser mit in ein vielstimmiges Konzert, das die Spannung hält bis zum Schlussakkord, von dem man hofft, dass es bald eine Zugabe geben möge.
Lesen Sie alle Beiträge zum Schwerpunkt Brucknerjahr 2024
BÜCHER_FILME_MUSIK
KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>
MEIST_GELESEN