Die Stiftung der Diözese Feldkirch ist im Gesundheitsbereich der Entwicklungszusammenarbeit tätig und setzt mit mutigen Schritten auf Veränderung.
Ihre Lepraarbeit hat dazu beigetragen, dass diese Krankheit mittlerweile gut behandelbar ist. Warum kam es zur Umbenennung und weshalb wird vieles neu gedacht und gemacht?
Matthias Wittrock: Die Krankheit lässt sich heute mit einer Kombination verschiedener Antibiotika gut therapieren, deshalb ist das Wort „aussätzig“ irreführend und hält Betroffene auch davon ab, sich behandeln zu lassen. Es hat sich im Laufe der Jahre dann gezeigt, dass Gesundheitsprogramme, die sich nur auf Lepra konzentrieren, nicht sinnvoll sind. Seit 2013 sind wir daher beratend tätig, wie z. B. die Lepraarbeit und Lepradörfer in die Gesundheitssysteme integriert werden können. Wir wollen, dass alle Menschen, auch lepra- und andere von Armutskrankheiten betroffene Personen, die von der Gesellschaft ausgeschlossen sind, einen Zugang zum Gesundheitssystem haben. So wirken wir zudem der unerwünschten Stigmatisierung von Patienten/innen entgegen. Das war der große paradigmatische Wechsel im Jahr 2013.
Das bedeutet, Sie wollen Ihr Wissen und das, was Sie mit Ihrer Hilfe erreicht haben, breit streuen ...
Wittrock: Ja, es geht uns um gemeinsames Lernen und die Gestaltung einer systemischen, strukturellen Veränderung, die dringend notwendig ist und wie sie Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato si‘“ gefordert hat. Sie ist eine der ganz wenigen Pole, die wirklich noch eine Alternative aufzeigt zu einem System, das nicht nur die Menschen in unseren Partnerländern in die Krise bringt – das sehen wir im Jemen, wo wir mit Kriegssituationen zu tun haben und mit unseren Partnern analysieren, wie die Nothilfe organisiert werden kann –, das sehen wir über kurz oder lang auch in Österreich.
Was heißt das?
Wittrock: Die Welt ist zu uns gekommen. Wir können sie nicht aussperren. Was Krankheiten betrifft, so entzünden sich z. B. Mückenstichverletzungen auch in Österreich heute häufiger als vor 30, 40 Jahren, da die Bakterienlast der Mücken größer geworden ist. Wenn Sie sich die Verbreitung der Sandmücke anschauen, die vor allem in den Tropen, in Asien und Amerika beheimatet war, so hat sie sich in den letzten zehn Jahren durch die globale Erwärmung und die Globalisierung zunehmend Richtung Norden und Europa ausgebreitet. Sie ist Überträgerin der Hautleishmaniose und verschiedener anderer Krankheiten. Irgendwann einmal ist sie über die Alpen gekommen und hat sich nicht von nationaler Rethorik aufhalten lassen. Das sind unmittelbare Veränderungen, auf die wir reagieren müssen. Wir leben in kollabierenden Systemen. Das sind nicht Themen von morgen, sondern Themen, die jetzt gestaltet werden wollen. Darum heißen wir plan:g – Partnerschaft für globale Gesundheit. In diesem Bereich versuchen wir Pläne und Strategien zu entwickeln, wie wir Zukunft nachhaltig gestalten können. Krankheiten wie Hautleishmaniose, Zika oder Ebola, die wir heute schon in unseren Partnerländern Tansania, Uganda oder Nordsudan haben, wird es übermorgen auch in Österreich geben. Darüber besteht bei uns noch kein Know-how. Auch darum braucht es ein neues Miteinander, ein neues Denken.
Das Menschenrecht auf Gesundheit braucht also ein vernetztes Denken und ein Aufeinanderzugehen ...
Wittrock: Hintergrund ist die Berührung Jesu der aussätzig gemachten Menschen. Jede Berührung ist unmittelbar heilend; aber Jesus veränderte dort auch ein System, weil er sich liebend eingelassen hat. Darum geht es – Systeme liebend verändern. Das ist plan:g in der Gesundheit. Wir setzen uns mit Fragen nach den vielen Plänen auseinander, die es braucht, damit wir liebend in einer lebenswerten Gesellschaft Zukunft gestalten können. Das tun wir mit Kongregationen, mit katholischen Ausbildungsbetrieben im Gesundheitssektor oder mit Behörden. Vielleicht haben wir die Umbenennung um ein paar Jahre verpasst. Allerdings haben wir erst einmal unsere Programmarbeit verändern müssen. Diesen sehr anstrengenden Prozess haben wir zwischen 2013 und 2015 geschafft, so dass wir jetzt auch den Namen mit Würde tragen können. Wir begreifen das als eine große mögliche Befreiung.
Sozialratgeber
Download hier >> oder Sozialratgeber KOSTENLOS bestellen unter office@kirchenzeitung.at oder telefonisch: 0732 / 7610 3944.
Erfahrungen aus dem Alltag mit einem autistischen Jungen >>
Jetzt die KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>