Wort zum Sonntag
Vor 14 Jahren hat Papst Benedikt XVI. die Feier der alten Messliturgie mit dem Schreiben „Summorum Pontificium“ wieder weitgehend frei ermöglicht. In der Umfragebeantwortung für Rom bewerteten die französischen Bischöfe dies kritisch. Sie sehen die Gefahr von Abkapselung und Spaltung. In der französischen Erzdiözese Dijon hat Erzbischof Minnerath jüngst die Tätigkeit der Petrusbruderschaft, welche die alte Liturgie feiert, in der St. Bernhards-Basilika in Fontaine-lès-Dijon nicht verlängert – offiziell aus organisatorischen Gründen, inoffiziell werden inhaltliche Vorbehalte vermutet.
Auch in Oberösterreich feiert die Petrusbruderschaft (siehe Spalte rechts) die Messe in der alten Liturgie. Die KirchenZeitung spricht darüber mit Pater Walthard Zimmer: Wie ist die Situation hierzulande und welche Haltungen sind mit der alten Liturgie verbunden?
Pater Zimmer, welche und wie viele Menschen nutzen bei Ihnen in der Diözese Linz das Angebot, zur alten Liturgie zu gehen?
P. Walthard Zimmer: Das sind ganz normale Katholiken. Die Größe der Gruppe ist aber schwer zu bestimmen. Ein Anhaltspunkt kann sein, dass rund 140 Personen an einem normalen Sonntag unsere heiligen Messen in der Linzer Minoritenkirche besuchen. Unsere Zeitung schicken wir monatlich an rund 1.500 Adressen.
Es heißt in Berichten aus Frankreich, zur „alten Liturgie“ würden auch junge Familien kommen. Stimmt das?
Zimmer: Auch zu uns kommen junge Familien. Sie kommen gerne, weil es nicht um die alte Liturgie alleine geht, sondern um den ganzen Glauben und das Menschenbild, das damit vermittelt wird: die Wertschätzung der Familie aus Mann und Frau sowie die Wertschätzung der Frau als Hausfrau, Mutter und Herz der Familie. Das sind Themen, die heute in der Gesellschaft und in der Kirche ins Hintertreffen geraten sind.
Mit anderen Worten: Die „alte Liturgie“ ist mit bestimmten Werthaltungen verbunden ...
Zimmer: Genau.
Wie ist Ihre Haltung zur „neuen Liturgie“, die normalerweise in den Kirchen gefeiert wird?
Zimmer: Unser Grundsatz ist, dass nicht wir die Kirche retten, sondern die Kirche uns rettet. Wir wollen mit der Feier der alten Liturgie unseren Beitrag zur Glaubenserneuerung der Kirche leisten. Das geht natürlich auch mit dem neuen Ritus der Kirche, der zu akzeptieren ist und gültig gefeiert wird. Aber wir sehen auch Mängel in der neuen Liturgie. Unser Festhalten an der alten Liturgie beinhaltet auch eine Kritik an der neuen.
Führt diese Kritik so weit, dass Sie in der neuen Liturgie nicht die Messe zelebrieren?
Zimmer: Wenn es geht, möchte ich die neue Liturgie nicht feiern – aus dem einfachen Grund, dass das nicht stimmig ist: Man kann nicht in der alten Liturgie viele liturgische Vorschriften einhalten, die den Zweck haben, dass Allerheiligste vor einer Verunehrung zu schützen, und dann in der neuen Liturgie diese Handlungen unterlassen. Ich kann nicht inhaltlich zur alten Liturgie stehen und bei der neuen Liturgie die Handkommunion praktizieren. Würden wir auch die neue Liturgie feiern, würde das den Priestermangel nicht beenden, aber wir würden eine gewisse Glaubwürdigkeit verlieren.
Unterscheiden sich die Riten so stark? Papst Benedikt XVI. hat argumentiert, es seien nur zwei Formen desselben Ritus.
Zimmer: Beides sind Formen des römischen Ritus, aber sie unterscheiden sich schon sehr, vor allem so, wie sie konkret gefeiert werden. Denken Sie an die Zelebrationsrichtung, an die Hinwendung zum Menschen im neuen Ritus. Es ist ein Unterschied, ob ich als Priester vor die Gemeinde trete und mich mit der Gemeinde zu Gott wende – oder ob ich mich zur Gemeinde wende. Schon allein kommunikationstechnisch ist es eine Herausforderung, jemanden anzusehen und anzusprechen, aber zu sagen: Eigentlich wende ich mich mit meinen Gebeten an Gott. Das funktioniert auf Dauer nicht und deshalb wird die Messe im neuen Ritus immer mehr nach Unterhaltungskriterien für die anwesenden Gläubigen gestaltet. Das hat auch dort Auswirkungen, wo der neue Ritus ordentlich gefeiert wird – bis hin zu den absurden Faschingsmessen.
In Frankreich haben Bischöfe argumentiert, im alten Ritus liege die Gefahr der Spaltung unter den Gläubigen. Was sagen Sie dazu?
Zimmer: Es hat immer verschiedene Riten in der Kirche gegeben. Warum sollte es eine Spaltung darstellen, wenn jemand lieber zu dem einen Ritus geht als zu dem anderen?
Sie haben aber vorhin gesagt, es gehe auch um Werthaltungen, nicht nur um den alten Ritus. Also reichen die Unterschiede doch tiefer, oder?
Zimmer: Ja, aber diese Unterschiede gibt es auch im neuen Ritus – etwa wenn es darum geht, das Frauenpriestertum durchzusetzen oder mehr Laien in die Liturgie einzuführen. Das spaltet die Gläubigen ja genauso. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.
Bleiben wir gleich bei den unterschiedlichen Werthaltungen: Was ist falsch daran, wenn Laien eine stärkere Rolle in der Liturgie spielen?
Zimmer: Wenn Laien mehr in der Liturgie beschäftigt werden, um aktivistisch ein Amt zu übernehmen, dann ist das falsch. Die Bedeutung des Menschen liegt in seiner Beziehung zu Gott, nicht in Ämtern.
Ich feiere als Laie mitunter Wort-Gottes-Feiern in meiner Pfarrgemeinde, damit ein Gottesdienst am Sonntag möglich ist. Das ist Dienst, nicht Amt.
Zimmer: Gut so, aber perfekt wäre es, wenn Sie sagen würden: „Liebe Leute, wer die Möglichkeit hat, zu einer heiligen Messe zu fahren, der soll dorthin gehen und andere mitnehmen. Den Wortgottesdienst mache ich für jene, die das nicht können.“ Ein Wortgottesdienst ist eine religiöse Feier, die ihren Wert hat. Es wäre aber eine völlig falsche Theologie zu sagen: Besser ein Wortgottesdienst in der eigenen Pfarre als irgendwohin zu fahren, nur um eine heilige Messe mitzufeiern.
Eine Wort-Gottes-Feier vor Ort zu feiern, ist aus meiner Sicht ein wertvoller Dienst an der Gemeinschaft dort. Sehen Sie das anders?
Zimmer: Die theologisch wesentliche Gemeinschaft ist in erster Linie die Gemeinschaft im Glauben durch die Hinwendung zu Christus – sie ist damit überpfarrlich. Gott in der heiligen Messe zu verehren und dort die Frucht des Erlösungsopfers zu erhalten, ist das weit höhere Gut als pfarrliche Gemeinschaft. Eine Pfarrgemeinde kann man durch Pfarrfeste, Rosenkranzgebet und Andachten zusammenhalten. Aber einen Wortgottesdienst als Ersatz für die heilige Messe zu sehen, ist theologisch sehr, sehr problematisch.
Sie haben vorhin die Rolle der Frau mit Muttersein, Haushalt und „Herz der Familie“ beschrieben. Ist eine solche Verknappung nicht auch in der Kirche längst passé und ein Hindernis für Menschen auf dem Weg zur Kirche?
Zimmer: Natürlich ändern sich die Sichtweisen in der Geschichte. Aber ist es Aufgabe der Kirche, der geänderten Sichtweise nachzulaufen? Oder sollte sie sich nicht fragen: Bis zu welchem Punkt kann ich meine Sichtweise ändern und ab wann läuft es in eine falsche Richtung? Frauen ausschließlich auf Muttersein und Haushalt zu reduzieren, wäre tatsächlich eine Verknappung. Die Genderideologie aber ist zutiefst falsch. Das sagt auch Papst Franziskus.
Wie wohl fühlen Sie sich in der Kirche, wenn es darin Dinge gibt, die Sie für nicht richtig halten?
Zimmer: Mein Wohlbefinden wird gesteuert von der Überzeugung, dass ich den Willen Gottes erfülle. Das macht mir Freude, gibt mir Sicherheit und lässt mich eine gewisse Linie halten. «
„Alte Liturgie“. Als „alte Liturgie“ der Messfeier wird die sogenannte tridentinische Liturgie bezeichnet, die in der römisch-katholischen Kirche bis zur Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gefeiert wurde. Sie wird oft mit den Worten „auf Latein“ und „mit dem Rücken zu den Gläubigen“ beschrieben. Aber auch die neue Liturgie kann man auf Latein feiern und die Zelebrationsrichtung ist bei weitem nicht der einzige Unterschied, sondern es besteht eine Reihe spezieller Vorschriften.
„Summorum Pontificum“. Dieses „Motu proprio“ von Papst Benedikt XVI. aus dem Juli 2007 erweiterte die Möglichkeit zur Feier der alten Liturgie, die zuvor nur eingeschränkt möglich war. Der Schritt des Papstes war als Zeichen an die von Rom getrennte Piusbruderschaft verstanden worden.
„Petrusbruderschaft“. Die Priesterbruderschaft St. Petrus wurde 1988 von zwölf Priestern und dem damaligen Diakon und jetzigen Priester Pater Walthard Zimmer in der Schweiz gegründet. Die Gründer waren frühere Mitglieder der Piusbruderschaft. Sie hatten diese wegen der schismatischen Bischofsweihen, die Erzbischof Marcel Lefebvre (1905–1991), der Gründer der Piusbruderschaft, am 30. Juni 1988 gespendet hatte, verlassen. Im Gegensatz zur Piusbruderschaft steht die Petrusbruderschaft in Gemeinschaft mit Rom und lehnt nach eigenem Bekunden keine Teile des Zweiten Vatikanischen Konzils ab. In der Diözese Linz sind drei Priester der Petrusbruderschaft in der Linzer Minoritenkirche, im Gemeindezentrum in der Wiener Straße in Linz und zu bestimmten Zeiten mit Gottesdiensten in Schardenberg, Köppach (Gem. Atzbach), St. Konrad (Bezirk Gmunden) und Wolfern tätig.
Wort zum Sonntag
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