Wort zum Sonntag
Bis ins 19. Jahrhundert gab es Äbtissinen, die praktisch mit den Vollmachten eines Bischofs ausgestattet waren. Mönche und Nonnen, denen man aufgrund ihrer radikalen Jesus-Nachfolge vertraute, nahmen jahrhundertelang die Beichte ab – ohne geweiht gewesen zu sein. Für den Rottenburger Kirchenhistoriker Hubert Wolf bedeutet Reform: den reichen Erfahrungsschatz der Kirche zu nutzen und vergessene Modelle zu prüfen, ob ihre Stunde nicht heute gekommen sei.
Am 8. Jänner sprach Hubert Wolf als Gast des Forums St. Severin an der Katholischen Privat-Universität Linz über „unterdrückte Traditionen der Kirchengeschichte“. Es gab Bischöfe und Kardinäle, die nie geweiht worden waren. Erst mit dem Ersten Vatikanischen Konzil gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Bischofsamt unabdingbar mit der Weihe verknüpft.
Wenn Reform von oben beginnen muss, meint Wolf damit vor allem die Kurie, die ein echtes Beratungsgremium des Papstes werden müsse, das vor Fehlentscheidungen schützen soll. 2009 kam es mit der Wiederaufnahme des Holocaust-Leugners Richard Williamson zu einer solchen Fehlentscheidung, weil Akten, die im Vatikan vorlagen, dem Papst nicht zur Kenntnis gebracht wurden. Wolf verwies auf die heftige Kritik von Papst Franziskus an seiner Kurie in seiner Weihnachtsansprache 2014, als er ihr Scheinheiligkeit vorwarf.
„Die Geschichte hat keine Angst vor Laien, die sich im Interesse der Seelsorge auch mit Vollmacht ausstatten“, spricht Wolf heutige Probleme angesichts des Priestermangels an. 1.000 Jahre lang hätten Laien die Verantwortung für die Pfarren gehabt, führt er ins Treffen. Wenn die Bischöfe die Verantwortung für die Pfarren nicht mehr wahrnehmen könnten, hätten eben die Laiinnen und Laien diese Verantwortung: „Wer soll es denn sonst tun?“ Ihre Vollmacht hätten sie „durch die „Nachfolgeautorität“, nämlich durch ein besonders glaub- und vertrauenswürdiges Leben.
Große Erwartungen setzt Wolf in die für Oktober 2019 geplante Amazonas-Bischofssynode. „Amazonien – neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie“ lautet das vom Vatikan präsentierte Synodenthema. Wolf rechnet damit, dass dort im Zuge der „neuen Wege“ die Frage der Priesterweihe von bewährten verheirateten Männern vorgeschlagen werden wird und dass so der Vatikan zu einer Haltung herausgefordert sein wird. Wolf ist von einem Teil der Bischöfe als Synodenreferent eingeladen worden. Es ist aber noch nicht klar, ob er tatsächlich dort sprechen wird.
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