Wort zum Sonntag
Kann man den Advent spannender beschreiben, als es Dietrich Bonhoeffer mit diesen Gedanken tut? Der Advent als eine Zeit der gespannten Erwartung auf das Neue, das mit Gott in Bethlehem seinen Anfang nimmt. Der Advent soll den Christen und die Christin hellwach machen, damit er oder sie ja nicht die Ankunft Gottes im Alltag übersieht. Die Realität im Advent ist freilich oft eine andere: Gerade das (an)gespannte Warten scheint in den Wochen vor Weihnachten besonders schwierig zu sein.
„Die Kunden sind im Advent besonders ungeduldig“, so sagte mir in diesen Tagen entnervt eine Mitarbeiterin einer Apotheke. Die Ungeduld überfällt offensichtlich gerade in der Adventzeit viele Menschen. Das ist einer gewissen Hektik und Zeitnot geschuldet. Vielleicht auch dem Bedürfnis, vor den Festtagen alles unterzubringen, um den eigenen Ansprüchen für ein perfektes Fest gerecht zu werden.
Die adventliche Erwartung darf nicht mit dieser adventlichen Ungeduld verwechselt werden. Ja, sie ist genau das Gegenteil davon. Ungeduld schiebt den Riegel vor offene Begegnungen. Die adventliche Haltung der wachen Erwartung hält dagegen alle Sinne offen, um die Zeichen Gottes wahrzunehmen. Sie ermöglicht es, die Menschwerdung Gottes in mein Leben hereinbrechen zu lassen. Gott tritt ein in ein lebendiges Beziehungsgeschehen mit jedem Menschen. Das ist die tiefe und berührende Botschaft von Weihnachten: Jesus ist der menschgewordene Beweis für die Zusage Gottes: „Ich bin da bei dir – ich lasse mich auf dich ein, du bist mir nicht egal.“
„Fürchtet euch nicht“ – so lautet die erste Botschaft der Engel an die Hirten, die vor den Toren Bethlehems zu Zeugen der Geburt Jesu werden. „Fürchte dich nicht“ – Eltern wissen, wie wichtig dieser Trost ist, wenn Kinder in der Nacht hochschrecken. „Hab keine Angst, ich bin da bei dir, du bist nicht allein.“ Das „Fürchtet euch nicht“ der Engel bei Bethlehem – es ist wie ein göttlicher Kommentar zur neuen Wirklichkeit, die mit der Geburt Jesu auf die Welt kommt. Wir Christen glauben, dass die Nähe Gottes durch Jesus spürbar und erfahrbar wird. Diese Nähe Gottes soll uns die Angst nehmen.
Es soll uns die Angst nehmen, wenn wir etwas zulassen müssen. Wenn wir inneren Widerstand spüren gegen andere Meinungen, gegen unausweichliche Veränderungen, gegen schlimme Krankheitsdiagnosen. Es soll uns die Angst nehmen, wenn wir uns auf etwas einlassen müssen: auf eine neue – vielleicht erzwungene – Lebenssituation, weil man gekündigt wurde oder weil eine Beziehung zerbrochen ist; wenn wir uns einlassen auf etwas Unplanbares, wie die Erziehung von Kindern, wie das Engagement für kranke, obdachlose oder asylsuchende Menschen. Es soll uns die Angst nehmen, wenn wir loslassen und Abschied nehmen müssen: Abschiede von Gewohnheiten; Abschiede hinein in einen neuen Lebensabschnitt, etwa nach dem Auszug der Kinder oder nach der Pensionierung; Abschiede von lieben Menschen; das Loslassen im Sterben. „Fürchte dich nicht“, sagt Gott zu Weihnachten, „ich bin ganz nahe bei dir. Du kannst dein ganzes Vertrauen in diese Zusage legen.“ «
Manfred Scheuer, Bischof von Linz
Mit der Weihnachtsbotschaft unseres Bischofs wünscht das Team der KirchenZeitung allen Leserinnen und Lesern frohe Weihnachten und ein gesegnetes neues Jahr 2019.
Die nächste Ausgabe erscheint am 3. Jänner 2019
Wort zum Sonntag
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