Wort zum Sonntag
Erstmals in seinem Leben sprach der rund 70-jährige Elias Ungar öffentlich, wie sehr das Schicksal seiner jüdischen Eltern ihn geprägt und sein Leben bestimmt hat. Seine zum Judentum konvertierte, zuvor katholische Mutter und sein jüdischer Vater schafften es nach einer KZ-Haft des Vaters, der NS-Herrschaft zu entkommen und nach Palästina zu reisen. Die Mutter konnte aber dort nicht Fuß fassen, und die Familie kehrte nach Kriegsende nach Linz zurück, wo Elias Ungar geboren wurde. Die Mutter sah ihre Lebensaufgabe darin, ihren Sohn Elias vor dem grassierenden Antisemitismus zu beschützen. Obwohl der Vater Sekretär der Kultusgemeinde war, erhielt der Sohn keine religiöse Erziehung. Mit dem Eintritt ins Gymnasium wurde er katholisch getauft. Schließlich wandte er sich der Neuen Linken zu, strandete am Athos, wurde Novize in einem orthodoxen Kloster und studierte später Religionswissenschaften und Judaistik. Wenn er die Fäden seines Lebensteppichs betrachte, so Ungar, ließen sich diese am besten durch eine Erfahrung am Athos zusammenfügen: „Ich erfuhr die Verklärung Jesu als mystisches Hauptfest. Die Verklärung bedeutet für mich Aufklärung als dynamischer Prozess der Menschwerdung.“ Mensch zu werden, das beschäftige ihn bis heute, so Ungar.
In einem vom evangelischen Pfarrer Günter Merz moderierten Gespräch stellten weitere Oberösterreicher/innen vor, wie sie ihr Judesein leben. Für Harry Merl, den Begründer der Systemischen Familientherapie in Österreich, sind Judesein und der Glaube an Jesus kein Gegensatz. Er bemühe sich, als Mitglied der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) und als Jude ein Segen für die Menschen zu sein, wie es im Buch Genesis Abraham verheißen und aufgetragen sei. Ebenfalls zu Wort kam Charlotte Herman, die seit 2013 Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in Linz ist. Brigitta Oberforster-Nagar ist gebürtige Oberösterreicherin, lebte lange Zeit mit ihrer Familie in Israel und ist seit 2017 wieder in Oberösterreich. Aufgewachsen in einer katholischen Familie, konvertierte sie vor über 15 Jahren zum Judentum und wohnt mit ihren fünf Kindern und dem Ehemann in ihrem Heimatdorf.
Bild: Dr. Harry Merl (von links), Dr. Charlotte Herman, Mag. Günter Merz (Diözesan-Beauftragter für christlich-jüdischen Dialog der Evangelischen Kirche OÖ), Brigitta Oberforster-Nagar und Ing. Lic. theol. Elias Ungar Diözese Linz/Reischl
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