Ein Kindergarten ohne Spielzeug? Das scheint so unvorstellbar wie eine Schule ohne Bücher und Hefte. Trotzdem wagen seit etwa drei Jahren immer mehr Kindergärten für einige Monate das Experiment „spielzeugfreie Zeit“. Das Konzept des spielzeugfreien Kindergartens beruht auf einem Ansatz der Suchtprävention und wurde in vielen deutschen und mittlerweile auch österreichischen Kindergärten erfolgreich erprobt. Das Ziel des Projektes ist, daß Kinder lernen, auf etwas verzichten zu können und selber Spiele zu erfinden. Die Kinder werden zur Eigenaktivität und Kreativität ermutigt. Im freien Spiel ohne vorgefertigte Materialien lernen die Kinder zu spielen, ohne zu konsumieren, sie festigen die Bande untereinander, klären ihre Rollen und entdecken die Natur. Zumeist führen die ersten Tage ohne Spielzeug zu etwas Ratlosigkeit: Die Kinder sitzen lange bei der Jause, lungern irgendwo herum und warten ab. Aber bald fangen vor allem die Jüngeren an, sich selbst zu beschäftigen, die Älteren brauchen etwas länger zur Selbstmotivation, werden dann aber umso aktiver: Eine umgedrehte Sitzplatte wird zum Kaufmannsladen, verkauft wird im Garten gesammelter Krimskrams. Aus Stühlen bauen die Buben einen Sessellift. Umgelegte mit Decken verhängte Tische sind abwechselnd eine Geisterbahn oder ein Trampolin. Die Kindergärtnerinnen bringen sich begleitend, aber nicht lenkend ein. Dadurch wird die Selbständigkeit der Kinder und ihre Selbstmotivation, die oft durch starken TV-Konsum und einengendes Elektronikspielzeug verkümmert ist, gefördert. In einigen Kindergärten wird die spielzeugfreie Zeit fixer Bestandteil des Jahresprogrammes – vielleicht zum Schaden der Spielzeugindustrie, aber sicher zum Nutzen der Kinder.