Aus: Roswitha Zauner: Meine Liebe - mein Land. Gedichte. Mit Zeichnungen von C. Sattleder. Edition Neunzig im Ennsthaler Verlag 1997
Ausgabe: 1998/44, Roswitha Zauner, Leseprobe
28.10.1998 - Peter Paul Kaspar
Wenn ich gestorben bin,verbrennt mich nicht im Feuer,streutmeine Asche nicht ins Meer,werftmich nicht in die Grube,den Würmern zum Fraß.Gebt mirstatt dessenein winziges Grabin euremGedächtnis.Gerade zu Allerseelen, wenn Pietät oder ein schlechtes Gewissen uns zu den Gräbern der verstorbenen Angehörigen treiben, könnte man innehalten und sich fragen, was man da überhaupt tut: ein Fleckchen Erde pflegen, in dem doch jener Mensch nicht anwesend ist, dessen man gedenkt, Blumen ans Grab legen, über die er sich als Lebender gefreut hätte, ein Gebet sprechen, das auch anderswo seine Gültigkeit nicht verlöre.Man könnte die Verschwendung beklagen: an anderweitig nutzbaren Grund und Boden für die riesigen Friedhöfe, die verrottenden Blumen und Kränze, die kostbare Zeit für die vielleicht umständliche Anreise zum alljährlichen Gräberbesuch. Man könnte es gelten lassen, daß hier allenfalls ein posthumer Nutzen für Verkehr, Handel und Dienstleistungsunternehmen zutage tritt. Der Tod als Wohltäter über den Tod hinaus.Ein sinnloses Ritual - könnte man sagen - wenn nicht dem toten Leib in der Erde etwas Lebendiges entspräche: eine hoffentlich nur langsam verblassende Erinnerung im Herzen, ein gelegentlich nachdenklich betrachtetes Foto in der Wohnung, eine vielleicht schmunzelnd erzählte Begebenheit aus alter Zeit. Und eine Stille Dankbarkeit, daß es diesen Menschen gegeben hat.