Kardinal Schönborn hat ein Buch geschrieben, das überaus großes Medienecho hervorgerufen hat. Laut Kathpress ist sogar der „Medien-Krieg“ um dieses Buch ausgebrochen. Die Kronenzeitung druckt täglich Auszüge daraus ab, die meisten anderen Zeitungen beurteilen das Buch kritisch, viele lesen darin, was sie ohnehin immer schon gewußt haben: daß Schönborn kirchenpolitisch erzkonservativ und lediglich in den Formulierungen moderater als Kurt Krenn sei. Wie dem auch sei. Was könnte sich ein Autor mehr wünschen? Doch genaugenommen hat Kardinal Schönborn gar kein Buch geschrieben. Ein prominenter Journalist hat aus einer Reihe von Reden und Predigten und sonstigen Texten Schönborns ein Buch gemacht und ein prominenter Verleger hat es interessant gefunden. Die Reihenfolge kann auch umgekehrt gewesen sein. Bloß das Einleitungskapitel ist extra für das Buch verfaßt worden. Und darin werden alle die als „heiße Eisen“ titulierten Themen - Frauenfrage, Sexualmoral, Zölibat, wiederverheiratete Geschiedene - benannt - und ziemlich schnell als unwesentlich abgetan. Die Kritiker stellen offensichtlich die falschen Fragen. Denn die Antworten gehen exakt an ihnen vorbei, beziehen sich auf ein bißchen andere Fragen und lassen so bei der Leserin das Gefühl zurück, nicht ernst genommen zu werden. Auf dieser Basis geht Dialog nicht. Das trübt den Blick für die sehr bedenkenswerten Überlegungen zu wesentlichen Fragen - und die finden sich auch in den späteren Kapiteln. Ob das nicht ein kirchliches Grundproblem ist? Christoph Kardinal Schönborn: Die Menschen, die Kirche, das Land. Christentum als gesellschaftliche Herausforderung. Molden Verlag, S 286.-