Wegen Folter und Mord soll der Ex-Diktator Chiles vor Gericht gestellt werden. „Das Schweigen um die Geschichte staatlicher Gewalt wird aufgebrochen“, sagt Jorge Fuentes, Sprecher von „Christen für Chile“ in Österreich. Vor seiner Flucht war er Gewerkschafts-präsident. Heute ist der engagierte Katholik Hausmeister in Wien.„Als Christ muß ich mich über meine Reaktion eigentlich schämen“, meint Jorge Fuentes, Sprecher der „Christen für Chile“ in Österreich. „Aber ich habe mich sehr gefreut, als ich gehört habe, daß Augusto Pinochet nicht als freier Mann nach Chile zurückfahren kann, sondern in London dem Gerichtsverfahren in Spanien entgegenwarten muß.“ Seit seiner Flucht vor den Schergen der Pinochet-Diktatur hat Fuentes 21 Jahre Zeit gehabt, das Vergeben zu lernen. „Ich war mir sicher, daß ich vergeben kann, was mir angetan wurde. Aber mir war auch klar, daß ich denen nicht vergeben kann, die so vielen Menschen so viel unsagbares Leid zugefügt haben.“ Als Mitglied der „Christlichen Linken“ und Präsident der Angestelltengewerkschaft der gößten Holzfirma des Landes zählte Jorge Fuentes zu jenen Chilenen, die den Mächtigen nach dem Militärputsch vom September 1973 besonders verdächtig waren. „Wir lebten in ständiger Angst. Es dauerte auch nicht lange und ich saß im Gefängnis. Sie warfen mir extremistische Tätigkeiten vor, doch es fehlten ihnen Beweise.“ Nach einem Gerichtsverfahren wurde Fuentes im April 1974 als „vorübergehend unschuldig“ aus der Haft entlassen. Doch Hausdurchsuchungen durch den Geheimdienst und das Militär ließen die Familie nicht zur Ruhe kommen: „Angst wurde zum Dauerzustand.“ Die Pläne, in Chile auszuharren, wurden aufgegeben, als sich die Repression auf die Pfarre ausdehnte, in der sich die Familie Fuentes engagierte. „Wir waren in der Taufvorbereitung verantwortlich für die Arbeit mit den Eltern und Paten.“ Mit Hilfe der Kirche konnte er 1977 das Land in Richtung Wien verlassen, Frau und Tochter folgten sechs Monate später: „Gott sei Dank hat man uns damals in Österreich noch Asyl gewährt.“Recht nicht RacheMit Kundgebungen und Unterschriftenaktionen haben die „Christen für Chile“ auch in Österreich versucht, die politische Entscheidung über das Vorgehen Großbritanniens in der Causa Pinochet zu beeinflussen. Dabei sei immer wieder der Vorwurf erhoben worden, „wir wollten Rache an Pinochet üben“, erzählt Fuentes. „Doch Rache würde bedeuten: ihn foltern, töten oder verschwinden zu lassen – denn in über 3500 Fällen ließ er so handeln.“Ziel ist vielmehr ein gerechtes Verfahren für jenen Mann, der sich unter dem Deckmantel der Straffreiheit mit dem höchsten militärischen Rang als „Befreier des Vaterlandes“ schmückt. Dabei ist sich der heute über 50jährige Fuentes sicher: Die Ungewißheit, in der Pinochet nun lebt, trifft ihn am härtesten. „Denn sollte der Diktator wirklich verurteilt werden, dann ist jede Strafe, die er bekommt, zu gering für das, was er verantworten muß.“