Therapeutin: Sich mit der eigenen Mutter bewußt auseinandersetzen.
Ausgabe: 1999/19, Rebellion
11.05.1999
- Isabella Ömer
Ich mach’ es einmal ganz anders! Das schwört sich so manche junge Frau - um es ihrer Mutter dann unbewußt doch gleichzutun.
Sie begann eine gute Ausbildung, ging sogar einige Zeit ins Ausland. Nur ja selbständig sein, nur ja nicht in einer traditionellen Ehe mit traditioneller Rollenaufteilung leben, so wie Mutter. Dann heiratete sie und bekam zwei Kinder. Aus der baldigen Rückkehr in den Beruf wurde doch nichts. Wurde der Haushalt anfangs noch zwischen beiden Ehepartnern geteilt, übernahm sie den Job – langsam und schleichend – allein. Ob Streit unter den Kindern oder Zoff in der Ehe – sie war es immer, die schlichtete oder das Gespräch suchte, ganz automatisch und ganz wie es ihre Mutter auch gemacht hatte.
Prägende Kindheit
Während bei einer Frau die Ablösung gut klappt und sie ihren eigenen Weg findet, übernimmt die andere das Verhalten der Mutter – sei es Erziehungsstil oder Rollenaufteilung – obwohl sie in ihrer Jugend immer dagegen rebelliert hat. Die Psychotherapeutin Monika Kornfehl sieht die Ursachen dafür in der Kindheit: „Die ersten Lebensjahre sind extrem prägend und beeinflussen auch später noch das Unterbewußtsein.“ Kornfehl nennt als Beispiel Töchter, die geschlagen wurden: „Sie nehmen sich sicher vor, es später anders zu machen. Aber im Stress ist keine Zeit zu überlegen, und manche schlagen dann als Mütter selbst zu.“ Auch bei der Rollenaufteilung sehen viele Frauen erst, wenn sie eine eigene Familie haben, wie mühsam es ist, aus alten Traditionen auszubrechen. Viele geben es schließlich auf, so Monika Kornfehl. Familienberaterin Ingrid Mostbauer unterscheidet bei Frauen drei Typen, bei denen die Ablösung von der Mutter noch nicht vollendet oder nicht gelungen ist. Typ eins: Die Frau übernimmt fraglos Werte und Stil der Mutter. Typ zwei: Sie distanziert sich total, um einem Konflikt aus dem Weg zu gehen. Typ drei: Sie will es um jeden Preis anders als die Mutter machen. „Letzterer Typ verwendet zuviele Energien darauf, anders zu sein“ so Mostbauer. Die Tochter könne nicht mehr frei entscheiden, weil sie ja auch alles, was ihre Mutter gut gemacht habe, ablehnen müsse. Die Therapeutin schlägt jeder Frau vor, sich mit ihrer Mutter auseinanderzusetzen: Mit welchen Werten ist meine Mutter selbst groß geworden? Was habe ich an ihrer Erziehung geschätzt? Womit war ich nicht einverstanden? Eine gelungene Ablösung ist für Ingrid Mostbauer, wenn die Tochter ihrer Mutter zurecht sagen kann: „Ich bin eine eigene Persönlichkeit. Manches mache ich wie du, anderes nicht. Ich respektiere dein Interesse an mir, aber ich entscheide selbst.“