Es sind politisch „heiße Tage“ in Brüssel, da die EU um eine Lösung in der Flüchtlingskrise ringt. Michael Kuhn beobachtet die Vorgänge für Europas Bischofskonferenzen vor Ort. Für einen überzeugten Europäer ist das eine sorgenvolle Aufgabe.
„Es herrscht hier in Brüssel schon einige Zeit Ratlosigkeit“, berichtet der gebürtige Wiener. Mehr als andere Krisen habe die Fluchtproblematik gezeigt, dass es im europäischen Gebäude Risse gebe. Seine eigene Gefühlslage bezeichnet der 57-jährige Vizegeneralsekretär der „Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft“ (COMECE) als gemischt: Auf der einen Seite sehe er, dass beim Zusammenwachsen Europas Fehler gemacht worden seien, wirtschaftliche Aspekte seien im Vordergrund und anderes im Hintergrund gestanden: „Als ich 1997 als EU-Referent der Österreichischen Bischofskonferenz anfing, arbeitete die EU-Kommission an gemeinsamen Asylstandards, die heute nützlich wären. Aber die Mitgliedsstaaten haben das verhindert. Man trifft also in dem Fall die Falschen, wenn man auf die EU-Institutionen schimpft“, erzählt Kuhn.
Dennoch Erfolg
Andererseits zeige die Tatsache, dass osteuropäische Länder von Anfang an rigide gegen eine Flüchtlingsaufnahme waren, dass man zwölf Jahre nach deren EU-Beitritt dieser Staaten zu wenig von ihnen wisse, ergänzt der mit einer Niederländerin verheiratete Theologe und Kommunikationswissenschaftler. Aufgabe der COMECE, der Kontaktstelle zwischen Kirche und EU, sei es, den Standpunkt zu vertreten, den alle Mitglieds-Bischofskonferenzen teilen: Die Flüchtlinge sind menschenwürdig zu behandelt. Zudem wird es der COMECE heuer um die Integration der Flüchtlinge gehen, die bleiben können, sagt Kuhn. Angesichts des Einsatzes kirchlich engagierter Menschen in manchen Staaten gehe es hier darum, zögernden Christen in anderen Ländern funktionierende Modelle zu zeigen. Dass das Friedensprojekt EU derzeit nur schwer als Erfolgsgeschichte vermittelbar sei, macht Kuhn, der ehrenamtlich als Diakon in Brüssel wirkt, Sorgen.