Mariazell wurde auch für 2000 Oberösterreicher/innen ein geistliches Erlebnis. Als Draufgabe gab es eine Fußwallfahrt.
„Mein Großvater“, erzählt Erich Neumüller aus Altenberg, „hat Menschen anderer Länder nur im Krieg kennen gelernt, und das zweimal.“ Dass man in Mariazell Menschen genau aus diesen Ländern, in denen der Großvater im Krieg war, jetzt anders kennen lernen kann, empfindet Neumüller als Geschenk. Um 3 Uhr morgens ist er in Linz in den Bus gestiegen. Schon vor 6 Uhr, wider Erwarten ohne Verkehrsbehinderungen, ist der Linzer Bus in Mariazell angekommen.
„Wir sind schon seit zwölf Stunden im Einsatz“, begrüßte Ursula Schmidinger von der Katholischen Jugend Oberösterreich die Linzer Gruppe. Sie gehörte dem Team an, das den Pilgern den richtigen Weg zum Festgelände weisen sollte. Bis zwei Uhr dauert ihr Dienst noch. Koordiniert hat die Schar der Bus-Einweiser/innen ein Oberösterreicher: KA-Generalsekretär Bernhard Rudinger. Die meisten zollten den Organisatoren Respekt. Rund 2.000 Pilger aus Oberösterreich haben die „Wallfahrt der Völker“ miterlebt, manche sogar als Fußwallfahrer, wie die Gruppe aus dem Priesterseminar oder von der Katholischen Hochschulgemeinde. Für die früh gekommenen Oberösterreicher hieß es zunächst beim Vorprogramm geduldig warten. Über die ausgeteilten Radios können sie die Übersetzungen von Ansprachen und Liedern aus den verschiedenen Teilnehmerländern hören. Gegen 9 Uhr trifft die Prozession der Bischöfe mit der Mariazeller Madonna auf der Pferdekutsche ein. Die Glocken, darunter eine von der Diözese Linz gespendete, kündigen das Eintreffen an, sie setzen sich gegen den Lärm der Hubschrauber durch, die das Gelände umkreisen. Der Festgottesdienst selbst war in der Tat zu einem „geistlichen Europafest“ geworden, wie Ortsbischof Egon Kapellari angekündigt hatte. Er endete mit einem oberösterreichischen Akzent: mit Anton Bruckners „Ave Maria“. Für viele ist die Wallfahrt der Völker auch noch zu einer Fußwallfahrt geworden, mit der sie nicht gerechnet hatten. Busse, die sehr früh angekommen waren, bekamen ihre Parkplätze am weitesten entfernt. So musste auch Herr Neumüller mit der aus Linz aufgebrochenen Gruppe einen 17 Kilometer langen Marsch über den Zellerrain machen, vorbei an oder zwischen den abfahrenden Bussen, die ebenfalls im Schritttempo unterwegs waren. Wer hätte schon gedacht, dass man heute noch zu Fuß die Grenze nach Niederösterreich überschreiten würde? Nach vier Stunden Marsch ist die Gruppe endlich beisammen. Der lange Weg hatte etwas Besonderes: Man vernahm kaum Murren, trotz der Erschöpfung, die sich bei manchen breit machte. Wer nicht mehr konnte, wurde von Feuerwehr und Rotem Kreuz oder von den Maltesern versorgt und zum richtigen Bus gebracht. Während der langen Wanderung trifft man auch immer wieder auf oberösterreichische Gruppen. Die Gehörlosenseelsorge ist mit einem Bus da. Aus allen Vierteln Oberösterreichs begegnete man Bussen und Pilgern. Nach einigem Warten erreicht die letzte Wallfahrerin den Linzer Bus. Rotkreuzfahrer haben sie „aufgelesen“ und das letzte Stück Weg hergebracht. Sr. Anna Maria, die die Erkennungsfahne für die Linzer Gruppe genäht hat, hat es aus eigener Kraft geschafft – und hat allen Grund, sich darüber zu freuen.19 Stunden nach der Abfahrt am frühen Morgen tauchen die Lichter der Linzer Stadtautobahn auf. Nach Altenberg hinauf ist es auch für Erich Neumüller jetzt nicht mehr weit.