Mit beiden hat Franz Schobesberger keine Freude: mit jenen, die sich von einer liberalen Glaubens-Wassersuppe ernähren wollen, und den anderen, die mit ihrem fundamentalistischen „Nur so wie ich“ eine Glaubensdiktatur errichten möchten. Der bald 82-jährige Priester plädiert für einen Glauben in Freude und Freiheit und für eine Kirche, die nochmals von vorne anfängt: bei Jesus.
Ausgabe: 2016/49, Franz Schobesberger, Brunnenthal, Schärding, Pfarrer, Glaube, Verkündigung, Beten
06.12.2016 - Interview: Josef Wallner
Herr Pfarrer, was ist das Grundanliegen Ihres neuen Buches?
Franz Schobesberger: Ich möchte den Leuten bewusstmachen, wie der Alltag mit dem, was von Gott kommt, zusammenhängt. Und welche Bereicherung es ist, wenn man darauf einsteigt.
Wie geht das Einsteigen?
Schobesberger: Man muss eine Sehnsucht entwickeln, lernen wahrzunehmen, was sich im Kleinen und Unscheinbaren ereignet.
Das ist aber schwierig …
Schobesberger: Ja, weil bei uns alles g’schwind, g’schwind gehen muss. Da kommt man nicht in die Tiefe. Früher waren Worte wie Gott, Gnade, Christus noch verständlich. Bei meinen Glaubensseminaren vor 30 Jahren konnte man voraussetzen, dass die Leute mit den Begriffen das Zutreffende verbunden haben. Da konnte man gleich loslegen.
Wo finden Menschen heute Einstiegspunkte in die Tiefe?
Schobesberger: Eher indirekt als direkt. Über Kunst und Kultur finden manche zum Spirituellen. Deswegen organisiere ich mehrmals im Jahr Reisen. Oder bei Bergwanderungen. Dabei lade ich die Leute ein, eine halbe Stunde schweigend zu gehen. Als ich dann einmal fragte, was sie gespürt haben, sagte mir ein Mann: „Ganz komisch. Ich hab zu beten angefangen.“ Ein weiterer Weg führt über die persönliche Beziehung.
Dass Menschen zum Glauben finden, ist heute schwieriger als früher ...
Schobesberger: Ja, wesentlich schwieriger. Aber trotz allem ist es unvergleichlich schön, Menschen zu Christus zu führen. Das ist zu meinem Lebensinhalt und meiner Lebenserfüllung geworden. Mit großer Dankbarkeit blicke ich auf Jahrzehnte dieses Dienstes zurück. Deswegen habe ich auch das Buch geschrieben.
Machen Sie sich über die Zukunft der Glaubensverkündigung Sorgen?
Schobesberger: Ja, große Sorgen. Im religiösen Kontext sehe ich zwei Extreme. Ich nenne es einmal ungeschützt die liberale Form des Glaubens. Sie ist eine Wassersuppe, die nicht nährt. Wenn Religion als Verschönerung von Familienfeiern gebraucht wird, bleibt sie äußerlich. Das andere Extrem ist die fundamentalistische Form, wo ständig das Wort „nur“ vorkommt. „Nur“ so wie ich, alles andere ist häretisch. Beiden Formen fehlt die gesunde Verbindung von Alltag und Spiritualität, in beiden Formen geht die heilende Dimension des Glaubens verloren.
Macht nicht auch das gesellschaftliche Umfeld die Verkündigung schwieriger?
Schobesberger: Unbedingt. Ich merke in der Gesellschaft einen Verlust der ganz normalen menschlichen Fähigkeiten wie Mitgefühl, den anderen gelten lassen oder zuhören. Schauen Sie nur auf die Wahlen in den USA. Wenn die menschliche Grundlage verloren geht, ist keine Basis für Geistliches da.
Was ist der Grund, dass manches Selbstverständliche so radikal weggebrochen ist?
Schobesberger: Ich möchte nicht die angeblich guten alten Zeiten beschwören. Das liegt mir fern. Gott sei Dank leben wir heute. Aber im Wohlstand ist uns das Bewusstsein verloren gegangen, dass alles Gabe ist. Was erleben wir heute noch als kostbar, wo sich viele zu jeder Zeit alles kaufen können?
Was gibt Ihnen Hoffnung?
Schobesberger: Hoffnung macht mir, dass immer mehr Leute mit ihren Gewohnheiten, mit ihrem Leben in eingefahrenen Bahnen unzufrieden sind und merken, dass man Tieferes braucht.
Wie soll man unter diesen Voraussetzungen die Glaubensverkündigung angehen?
Schobesberger: Wir müssen wieder von ganz vorne anfangen. Die Ausgangsfrage muss sein: Hat sich die Kirche so entwickelt, wie Jesus das gewollt hat? Da wird man rasch daraufkommen, dass zum Beispiel die Teilung des Gottesvolkes in zwei Stände, in Klerus und Laien, sicher nicht die Option Jesu war. Er hat vielmehr gesagt: Ihr alle seid Brüder und Schwestern. Leitung ist dann als liebender Dienst an der Gemeinschaft zu verstehen.
Was ist zu tun?
Schobesberger: Ich nehme wiederum ein Beispiel heraus. Wir können uns als Kirche nicht erlauben, auf die Frauen zu verzichten, auf die Hälfte der Kirchenmitglieder. Nehmen wir doch das Priestertum aller Getauften ernst und denken wir an die Hausgemeinden der Bibel. Die haben Männer und Frauen geleitet. Sind sie in ihren Häusern nicht auch Eucharistiefeiern vorgestanden?
Welche Rolle spielen bei Ihnen die Pfarren?
Schobesberger: Eine große, denn sie sind geistliche Biotope, wo etwas wachsen kann. Wir sollten im Bereich der Pfarren aber unbedingt von den weltweit erfolgreichen Kirchen lernen: Das sind die Evangelikalen.
Was kann man von ihnen lernen?
Schobesberger: Sie setzen alles auf Hauskirchen und zugleich auf die Vernetzung dieser Hauskirchen. Über die Hauskirchen, über kleine Zellen ist das Christentum groß geworden. Wenn wir bestehen wollen, müssen wir das ähnlich wie die Evangelikalen machen. Eine Pfarre besteht dann aus Zellverbänden. Für die Verwaltung kann man ruhig einige Pfarren zusammenziehen, da sehe ich kein Problem. Aber man muss darauf achten, dass man spirituelle Biotope in den Pfarren dabei nicht austrocknet.
Hat Pfarre Ihrer Meinung nach Zukunft?
Schobesberger: Ja, aber anders. Wobei der Übergang nicht einfach wird. Wenn man glaubt, dass man die Pfarrarbeit von Haupt- auf Ehrenamtliche verlagern kann, wird das nicht klappen. Da sind wir 20 Jahre zu spät dran. Die Kirchenleitungen haben zumindest in Europa das Zeitfenster für die Änderung der Strukturen verpasst. Die Vorbereitungen für die Pfarrgemeinderatswahl zeigen in vielen Pfarren, dass es gar nicht mehr einfach ist, Leute zu finden, die Verantwortung übernehmen und mitgestalten wollen.
Dabei möchte ich das Positive nicht übersehen, gerade was in der Diözese Linz gewachsen ist. Die Pfarre Brunnenthal leitet seit sieben Jahren eine Pfarrassistentin, ich bin nur mehr Moderator. Das klappt bei uns wie in anderen Pfarren auch hervorragend. Es gibt Seelsorgeteams, Leiterinnen und Leiter von Wortgottesdiensten, durch und durch engagierte Pfarrgemeinderäte und noch vieles mehr. Aber trotzdem – ich wiederhole mich: Wir stehen als Kirche vor einem Übergang, der nicht einfach wird.
Wie begehen Sie persönlich den Advent, haben Sie ein besonderes Ritual?
Schobesberger: Nein überhaupt nicht. Ich mache das, was ich das ganze Jahr hindurch tue. Ich versuche jeden Tag dem Herrn eine Möglichkeit zu geben, bei mir anzukommen.
Und umgekehrt bitte ich, dass der Herr mir die Gnade gibt, bei ihm anzukommen.
Kommt und seht
„Kommt und seht! Heilsame Wege gemeinsam suchen und gehen“ ist der Titel des neuen Buches von Franz Schobesberger aus Brunnenthal. Anhand seiner eigenen Lebensgeschichte und seiner Erfahrung als Seelsorger beschreibt er, welche Freude und Erfüllung es bringt, wenn man sich Gott anvertraut.
Das Buch (320 Seiten) ist um € 16,90 zu beziehen: Pfarramt Brunnenthal, Dorfstraße 8, 4786 Brunnenthal, Tel. 07712/38 01 oder E-Mail: pfarre.brunnenthal@dioezese-linz.atZur Person
Franz Schobesberger
Franz Schobesberger, geboren 1935 in Gmunden, ist Pfarrmoderator in Brunnenthal. Über die Grenzen der Diözese hinaus bekannt wurde er durch Glaubensseminare für Jugendliche und Erwachsene, die er von 1979 bis 2004 für Tausende Teilnehmer/innen abgehalten hat. Seine Spiritualität schöpft er zu einem guten Teil aus der Charismatischen Erneuerung und aus der Lektüre zeitgenössischer geistlicher Autoren.