Wie in jedem Heiligen Jahr ist auch im aktuellen Jahr der Barmherzigkeit der Ablass zu einem Thema geworden. Wegen des nahen Reformationsjubiläums 2017 stößt die Betonung des Ablasses in der evangelischen Kirche auf Irritation und Widerspruch.
Ein Blick in den Katechismus der katholischen Kirche genügt, um zu sehen, dass der Ablass einen Nebenschauplatz des Glaubens darstellt. Warum sonst wäre das Kapitel über „Die Ablässe“ in deutlich kleinerer Schrift gedruckt als die Abschnitte davor und danach? Aber das Kleingedruckte hat die Bischofsaula des Priesterseminars gefüllt – mit katholischen und evangelischen Seelsorger/innen am 21. April 2016 zum Ökumenischen Theologischen Tag.
Der Wiener katholische Theologe Gunter Prüller-Jagenteufel stellte in einem mehr als einstündigen Vortrag Entwicklung und Bedeutung des Ablasses vor und zeigte die Sackgassen auf, die mit der Lehre vom Ablass verbunden sind. Als Lösung schlug er die Neuinterpretation von Karl Rahner und Ottmar Fuchs vor, wobei Uminterpretation den Sachverhalt genauer trifft. „Rahner stellt nicht den Anspruch, die ursprüngliche Lehre wiederherzustellen, sondern er sucht den Kern der Wahrheit“, so Prüller-Jagenteufel. Dazu muss aber Rahner anstatt des für den Ablass zentralen Begriffes „Sündenstrafe“ den Begriff „Sündenfolge“ einführen, um den Ablass theologisch halbwegs retten und argumentieren zu können.
Einspruch
Superintendent Gerold Lehner unternahm es dann im Namen der evangelischen Kirche, gegen die Ablasslehre Einspruch zu erheben. Als problematisch machte er zum Beispiel auf die veränderte Vorstellung vom Fegefeuer aufmerksam, das sich in der katholischen Kirche deutlich vom traditionellen Verständnis als Reinigungsort in einen Prozess der reinigenden Begegnung mit Gott gewandelt hat. Diese neue Sicht ist mit dem Ablass nicht mehr kompatibel. Sein Fazit: „Meine katholische Schwesterkirche trägt eine Last mit sich, die keinen Sinn mehr macht. Geben wir den Ablass dem Vergessen anheim.“ Er wies auch auf das Schreiben Papst Pauls VI. über den Ablass hin, in dem Ablässe als geistliche Hilfe angeboten werden, aber kein Katholik verpflichtet wird, sie anzunehmen.
Mit der Schuld nicht allein lassen
Für Dompfarrer Maximilian Strasser bedeutet Ablass einen Weg zu finden, mit Schuld angemessen umzugehen: „Wir dürfen einander mit unserer Schuld nicht allein lassen. Wir müssen uns gegenseitig helfen, mit den unheilvollen Folgen der Schuld zurechtzukommen“, so Strasser: „Was hinter dem Wort Ablass steckt, das brauchen wir als Christen.“ Für ihn können sogar die ökumenischen Begegnungen eine Form von Ablassgewinnung sein: „Unsere Treffen mit Gespräch, Gebet und Feier sind ein Weg, die Unheilsfolgen der Kirchentrennung aufzuarbeiten.“
Bischof Manfred Scheuer erklärte: „Was mit dem Ablass usprünglich gemeint war, darf man nicht zur Seite schieben, auf dem Wort Ablass bestehe ich nicht.“