Erste wissenschaftliche Untersuchung der Bestatteten in der Gruft
Ausgabe: 2004/47, Mumie, Waldhausen, St. Thomas am Blasenstein, Leichnam, Gruft
16.11.2004 - Josef Wallner
Mumifizierte Leichname umgibt das Flair des Gehimnisvollen. So auch die Mumien im Stift Waldhausen.
Neben der „Bucklwehluck’n“ ist St. Thomas am Blasenstein für den mumifizierten Leichnam bekannt, um den sich seit Generationen Legenden ranken. Bei der Mumie handelt es sich – so die Tradition – um den Waldhausener Chorherren Franz Xaverius Sydler von Rosenegg, der 1746 als Pfarrer von St. Thomas starb. Dass sich nur wenige wenige Kilometer entfernt – in den Gruftanlagen unter der Stiftskirche von Waldhausen – mehrere ganz ähnliche Mumien befinden, wissen nur wenige. Die im Unterschied zu St. Thomas nicht so gut erhaltenen Leichname von Waldhausen waren auch nie öffentlich zugänglich.
Die jüngsten – und ersten wissenschaftlichen – Untersuchungen der Waldhausener Mumien durch Dr. Bernhard Mayer geben interessante Einblicke in das Leben der Verstorbenen und in den Vorgang der Mumifizierung. Dabei sind genaue Bestimmungen nicht einfach, da während der NS-Zeit in den Stiftsgebäuden nicht aus Waldhausen stammende junge Leute untergebracht waren, die die Begräbnisstätte verwüstet hatten. Augenzeugen, die die Gruft vor dieser Zeit kannten, berichten, dass die Leichname offen in den Särgen lagen und die Gewänder noch gut erhalten waren.
Mayer – er hat sich auch mit der Gletscherleiche Ötzi beschäftigt – konnte drei Mumien analysieren. Es finden sich keinerlei Hinweise, dass die Leichname künstlich erhalten worden wären, so der Experte: „Es handelt sich um eine Trockenmumifizierung, die sicher nicht beabsichtigt war.“ Niedrige Temperaturen und die Möglichkeit des Wasserentzugs dürften das Umfeld für eine Mumifizierung ermöglicht haben: „Vielleicht haben die Hobelspäne, die sich in den Särgen finden, die Austrockung der Körper begünstigt“, so Mayer. Da bei allen Mumien der Brustkorb unversehrt ist, sind die Leichname nie unter der Erde gelegen.
Das Alter der mumifizierten Leichname lässt sich durch den Bau der barocken Klosteranlage eingrenzen. Die ersten Bestattungen stammen demnach aus dem 17. Jahrhundert. Dass es sich bei den Bestatteten um Angehörige des Stiftes und vor allem um Pröpste handelt, ist nahe liegend. Unter den erhaltenen Stoffresten finden sich hochwertige Materialien: eine Stola aus Seidendamast, eine Stola mit Klöppelspitzen und mehrere Samtkappen.
Auch die Teile der Lederschuhe aus der Gruft unterstützen diese Annahme. „Das weiche Material der Brandsohlen weist auf sehr feine Schuhe hin“, urteilt Walter Reithofer, der sich mit historischem Schuhwerk beschäftigt. Die Lederteile zeigen aber gleichzeitig, dass die geistlichen Würdenträger nicht frei von körperlichen Beschwerden waren: Mehrere Sohlen sind ausgeschnitten und mit Stoff ausgepolstert. Das ist ein Indiz dafür, dass die Besitzer der Schuhe an Fersensporn litten. Einer der Bestatteten hatte auch mit den Unannehmlichkeiten einer Hammerzehe zu leben.
Mayer, der auch als erster Wissenschafter die Mumie von St. Thomas untersucht hat, hebt die große Ähnlichkeit der mumifizierten Leichname in Aussehen und Farbe hervor. Die Schuhe sind ebenfalls in derselben Machart. „Auch der gleiche Verlauf des Fettabbaus lässt darauf schließen, dass die Mumien unter ähnlichen Bedingungen und Zeit entstanden sind“, urteilt Mayer. Da die Lage von St. Thomas und Waldhausen und die baulichen Gegebenheiten an beiden Orten durchaus vergleichbar sind, ist das gleiche Aussehen der Mumien durchaus erklärbar.
Die Mumien von Waldhausen sind seit der Landesausstellung 2002 würdig in der Gruft bestattet. Die Krypta davor ist als Gedenkstätte gestaltet. „Die Mumien sind kein Nervenkitzel, sondern Hinweis auf die Sterblichkeit des Menschen“, erklärt Pfarrer Karl Wögerer.